Direkt zum Inhalt

News: Der Schrei nach Sauerstoff

Wer einmal auf einem Berggipfel stand, weiß, wie sehr man dort oben normalerweise um Luft ringt - und das nicht nur wegen der vorangegangenen Anstrengung. Der Körper verlangt nach Sauerstoff, und diesen Bedarf kann in der "dünnen" Luft nur eine verstärkte Atmung befriedigen. Wie die Gewebe ihre Mangelversorgung dem Atemzentrum in Gehirn mitteilen, war bisher noch unklar. Doch neuen Erkenntnissen zufolge spielt das kleine Molekül Stickstoffmonoxid darin eine entscheidende Rolle.
Wenn der Sauerstoff im Körper knapp wird, signalisiert das Gehirn: Stärker nach Luft schnappen! Der beschleunigte Atem pumpt das lebensnotwendige Gas in die Lungen, wo es aufgenommen und auf sein Transportvehikel, das Hämoglobin, geladen wird. Von dort aus macht es sich auf den Weg zu den unterversorgten Geweben. Schlägt der Alarm fehl oder wird erst gar nicht ausgelöst, kann es zu irreversiblen Schäden kommen.

Doch wie ruft der Körper um Hilfe? Diese Frage war bislang noch ungeklärt. Viele Wissenschaftler gingen davon aus, dass der Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt im Blut als Stellschrauben im Regelwerk dienen. Doch die Ergebnisse einer Forschergruppe um Andrew Lipton von der University of Louisville bringen nun ein ganz anderes Molekül ins Spiel: Stickstoffmonoxid (NO).

Es ist kein Unbekannter im Sauerstoffhaushalt des Blutes. S-Nitrosothiole (SNOs) – Komplexverbindungen, bei denen das NO fest an die Aminosäure Cystein geknüpft ist – sind in den Lungen am Beladen des Hämoglobins mit dem Gas aus der Luft beteiligt und binden auch selbst an das Transportmittel. Am Zielort angekommen, sorgen die SNOs dafür, dass sich selbst die kleinsten Gefäße weiten, um eine optimale Versorgung mit Sauerstoff zu gewährleisten.

Die Forscher injizierten Ratten bestimmte SNOs in den Hirmstamm – dort liegt das Atemzentrum, das die Atembewegungen steuert. Obwohl der Sauerstoffgehalt im Blut der Tiere vollkommen normal war, atmeten sie daraufhin schneller und tiefer. Um zu überprüfen, ob die SNOs tatsächlich als Signalstoffe wirkten, entnahmen die Wissenschaftler den Nagern daraufhin sauerstoffarmes Blut und trennten die Proteinfraktion ab. Das verbleibende Plasma, das ihrer Vermutung zufolge noch SNOs enthalten sollte, spritzten sie wiederum in den Hirnstamm. Und tatsächlich verstärkten die Tiere erneut ihre Atmung. Unterzogen sie die Ratten derselben Prozedur, aber mit sauerstoffreichem Blut, zeigten sie keine Reaktion.

Zusammengefasst sieht der gesamte Prozess offenbar so aus: Das Hämoglobin wird in den Lungen mit Sauerstoff beladen, und an einen seiner Cysteinreste lagert sich NO an. Wenn das Transportmolekül nun im Gewebe oder im Gehirn seine Fracht ablädt, verändert es seine Gestalt, wodurch das NO an einen anderen Cysteinrest umgelagert wird. Ein Enzym spaltet diesen Rest ab, der womöglich nach einer weiteren Umformung schließlich an einen Cysteinrest eines Proteins im Atemzentrum bindet und damit den Befehl zum verstärkten Atmen auslöst.

Stuart Lipton von Burnham Institute in La Jolla nennt es überraschend, dass nicht etwa der Sauerstoff- oder Kohlendioxidgehalt des Blutes die Atmung kontrollieren, sondern eine Stickoxidverbindung: "Zum ersten Mal zeigt sich, dass im Blut gebildete SNOs tatsächlich das Gehirn beeinflussen." Wenn Forscher mehr darüber wissen, wie die Komplexe im Körper transportiert werden, ließen sich nach seiner Ansicht wohl auch Medikamente entwickeln, welche SNOs direkt zu bestimmten Teilen des Gehirns transportieren. Eine hoffnungsvolle Aussicht für die Behandlung von Frühgeburten und Menschen mit schweren Atemstörungen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.