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News: Der Sinn im Antisinn

Was einige Menschen reden, macht Sinn, was andere reden, ist Unsinn. Auf einer Konferenz in London machten Wissenschaftler weder das eine noch das andere - sie redeten 'Antisinn'. Delegierte auf der zweiten Nature Biotechnology-Antisense-Konferenz diskutierten die Fortschritte, die in den 18 Monaten seit der letzten Konferenz auf diesem Gebiet erzielt wurden.

Die Antisense-Technologie stellt eine Methode dar, wie die Produktion spezifischer Proteine in lebenden Zellen blockiert werden kann. In diesem Fall wird die Arbeitsvorlage, die mRNA, beeinflußt, nach deren Anleitung die Proteine erzeugt werden. "Antigen"-Strategien zielen auf den DNA-Bauplan ab, während klassische "Antisense"-Methoden auf RNA beruhen – dem Zwischenschritt zwischen DNA und Protein.

Wie die DNA beinhaltet auch die RNA vier Basen. Adenin (A), Uracil (U), Cytosin (C) und Guanin (G) bilden in Millionen verschiedener Kombinationen RNA-Sense-Stränge. Sinn machen diese Stränge, weil die zelluläre Maschinerie sie versteht und auf einer RNA-Vorlage Proteine erzeugen kann. Wichtig ist, daß nur A und U sowie C und G Basenpaare bilden können. Daher sollte es möglich sein einen passenden, genau entgegengesetzten Antisense-Strang aus RNA zu erzeugen, der sich mit dem Sense-Strang verbinden kann.

Wird ein Antisense-RNA-Molekül in lebende Zellen transportiert, kann es sich sehr spezifisch an die relevante RNA-Sequenz binden. So entsteht eine doppelsträngige RNA, die ein Ziel für das Enzym RNase H bildet. Dieses schneidet ein Stück aus dem Sense-Strang heraus, der dadurch in zwei Teile zerfällt und als Mustervorlage für die Proteinproduktion nutzlos ist.

Natürlich – und darin waren sich die Delegierten auf der Konferenz einig – ist die Sache nicht ganz so einfach. Zuerst einmal ist die RNA nicht gestreckt – sie ist gefaltet und in alle möglichen Formen verdreht. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß eine Antisense-RNA nicht in der Lage ist, ihr Ziel zu erreichen. Außerdem sind einige RNA-Moleküle toxisch, und viele sind innerhalb der Zellen nicht stabil, so daß möglicherweise chemische Veränderungen benötigt werden, um den Antisense-RNA-Strängen – und den Patienten, denen mit ihnen geholfen werden soll – die beste Überlebenschance zu bieten. An dieser Stelle kann dann ein Henne-und-Ei-Problem entstehen – die Veränderungen verleihen der RNA vielleicht Stabilität, möglicherweise hindern sie sie aber auch daran, an ihr Ziel zu binden.

Es gibt jedoch auch Erfolgsmeldungen. So berichtete Stanislaw M. Stepkowski, daß er und seine Kollegen von der University of Texas Houston Medical School Antisense-Moleküle eingesetzt haben, die auf die RNA-Mustervorlage für das interzelluläre Adhäsionsmolekül-1 (ICAM-1) abzielen. Dieses Protein ist an der Immunreaktion beteiligt, die zur Abstoßung transplantierter Organe führt. Die Forscher fanden heraus, daß sie die Überlebenschancen transplantierter Organe in hohem Maße verbessern konnten, wenn sie ICAM-1 spezifisch hemmten. Eine Kombination dieser Therapie mit konventionellen immunosuppressiven Medikamenten wie Cyclosporin führte zu noch besseren Ergebnissen. Die Transplantate überlebten weit länger, als es die Summe beider Therapien – separat angewandt – erwarten ließ. Obwohl die Autoren nur Transplantate in Ratten und Affen untersuchten, sind die Ergebnisse vielversprechend – all dies zeigt deutlich, daß manche Dinge keinen Sinn ergeben müssen, damit sie funktionieren.

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