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News: Der Stoff, aus dem die Speicher sind

Seit der Erfindung des Computers sind Speicherbauteile ein steter Quell der Unzufriedenheit: Egal wie klein sie auch sein mögen, sie sind zu groß. Japanische Wissenschaftler haben jetzt einen ersten Schritt in Richtung einer Speichertechnik unternommen, bei der es einem schwer fallen sollte, über die Größe zu nörgeln. Ihnen gelang es, ein Bit durch eine Handvoll Elektronen zu realisieren statt mit Stromimpulsen wie in gewöhnlichen Computerchips. Das endgültige Ziel: Die binäre Informationseinheit mit einem einzigen Elektron darzustellen.
Der Einelektronen-Speicher ist die jüngste Entwicklungsidee eines blühenden Zweiges der Mikroelektronik, der als Einzelelektronik bezeichnet wird. Elektronen sollen dabei – eins nach dem anderen – in Schaltkreisen herumbewegt werden wie ein Spaziergänger in einem Labyrinth: Die Elektronen passieren "Drehkreuze", hüpfen zwischen Ruheplätzen hin und her, betätigen auf ihrem Weg Schalter und führen damit logische Operationen aus – genau wie die elektrischen Ströme in gewöhnlichen Computern. Der Unterschied liegt allerdings darin, daß die Ströme verschwindend klein sind, so daß nur sehr wenig Energie verbraucht wird. Da die Elektronen das System einzeln durchqueren, stellt sich der Strom "körnig" dar, das heißt nicht wie ein kontinuierlicher Flüssigkeitsstrom, der sich durch ein Schleusentor ergießt, sondern eher wie Sandkörner, die durch eine Sanduhr rinnen.

So sieht zumindest der Traum der Befürworter der Einelektronen-Technik aus. Von dieser erhoffen sie sich eine Alternative zu den unüberwindbaren Begrenzungen, die einer fortschreitenden Miniaturisierung konventioneller Schaltkreise gesetzt sind. Wenn man jedoch in der Lage wäre, die binären Informationseinheiten "1" und "0" nur durch einzelne Elektronen darzustellen – statt wie bisher durch elektrische Strompulse – könnten die Bauteile wie zum Beispiel Transistoren sehr klein gemacht werden. Noch wichtiger ist dabei, daß diese deutlich weniger Hitze abstrahlen als konventionelle Bauteile und somit wesentlich dichter gepackt werden können, ohne daß sie Gefahr laufen, infolge der Wärmeentwicklung zu schmelzen. Nach Schätzungen sollten sich Einelektronen-Bauteile etwa hundertmal dichter packen lassen, als es in gewöhnlichen Halbleiterschaltkreisen bislang möglich ist.

Einelektronen-Transistoren und andere Geräte, die Elektronen eines nach dem anderen passieren lassen, sind bereits seit einigen Jahren bekannt. Aber ein Einelektronen-Computer benötigt auch Speicherelemente, die Informationen in Form einzelner Elektronen speichern und verarbeiten können. Dieses Ziel haben sich auch H. Sunamura und seine Kollegen von der NEC Corporation in Tsukuba, Japan, gestellt. Ihr Gerät besteht im wesentlichen aus zwei Stufen: Die erste Komponente dient als Falle, um die einzelnen Elektronen zu fangen, bei der zweiten handelt es sich um einen Einelektronen-Transistor, der empfindlich genug ist, um die Speicherung eines Elektrons nachweisen zu können. Die Falle besteht aus den Materialien Siliciumdioxid und Siliciumnitrid, die in einer Art Sandwichstruktur angeordnet sind. Die Verwendung von Siliciumbestandteilen ist dabei besonders wichtig, da die Geräte mit herkömmlichen Silicium-Chips kompatibel sein müssen, um praktisch nutzbar zu sein.

Sunamura und seine Kollegen waren zwar noch nicht in der Lage, den Speicher mit nur einem Elektron von "0" auf "1" zu schalten, aber sie konnten dies immerhin mit einer kleinen Handvoll von Elektronen demonstrieren. Sie schätzen, daß sie ein Bit Information etwa mit zehn Elektronen ein- und wieder auslesen konnten – was darauf hindeutet, daß das Bauteil zumindest im Prinzip empfindlich genug für ein einzelnes Elektron sein sollte. Zur Zeit kann auf die Information nur zugegriffen werden, indem sie zerstört wird – die Elektronenfalle wird gewissermaßen einfach geleert. Die Physiker konnten jedoch theoretisch zeigen, daß es möglich sein muß, die Informationen zu lesen, ohne sie zerstören zu müssen – das entscheidende Erfordernis für jeden Speicher.

Eine weitere Begrenzung ist bislang die "Vergeßlichkeit" des Speichers, der die Informationen maximal 45 Minuten lang speichern kann. Ein Langzeitgedächtnis könnte durch weitere Kühlung erreicht werden. Keine einfache Aufgabe, schließlich mußten die Wissenschaftler schon jetzt die Apparatur auf nur drei Kelvin (minus 270 Grad Celsius) abkühlen, damit die Elektronen nicht gleich wieder aus der Falle hopsen. Auch wenn eine Fülle technischer Probleme gelöst werden muß, bis der Einelektronen-Computer funktioniert, sind einige Forscher davon überzeugt, daß dies der einzig gangbare Weg ist.

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