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News: Der Stoff, der für den Durchblick sorgt

Wie wir die Welt sehen, ist nicht nur eine philosophische Frage. Seit etlichen Jahren versuchen Forscher dem molekularen Mechanismus der Lichtsinneszellen von Säugetieren, die Lichtquanten aufnehmen und in neuronale Signale umwandeln, auf den Grund zu gehen. Neurowissenschaftler haben jetzt entdeckt: Damit ein Lichtreiz nicht ins Leere geht, brauchen Mäuseaugen Bassoon.
Fällt Licht auf die Netzhaut, muss dieser Reiz von den Photorezeptoren an die nachgeschaltete Nervenzelle weitergegeben werden. Dafür zuständig sind Synapsen, molekulare Schaltereinheiten, welche die Information von einer Signal-übertragenden Nervenzelle (Präsynapse) zu der Signal-empfangenden Nervenzelle (Postsynapse) weitergeben. Sie machen die Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn erst möglich.

Bei der Photorezeptor-Synapse handelt es sich um die komplexeste und leistungsfähigste chemische Synapse des zentralen Nervensystems von Säugetieren. Sie überträgt die Lichtsignale einer sternenklaren Nacht und eines sonnenhellen Tages, Signale also, die sich in ihrer Intensität um Zehnerpotenzen unterscheiden können. Bereits kleinste Fehlfunktionen an der Photorezeptor-Synapse können daher die Sehleistung beeinträchtigen oder sogar zu Erblindung führen.

Ein ungewöhnlich großes Protein in der Präsynapse der Photorezeptoren ist Bassoon (engl. Fagott). Johann Helmut Brandstätter am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main zeigte nun mit Kollegen des Leibnitz-Institutes für Neurologie in Magdeburg, dass Bassoon eine essenzielle Rolle spielt, damit Photorezeptoren ihre Synapsen mit den Botenstoffen versorgen können, die zur Signalübertragung auf die Postsynapse der nachgeschalteten Nervenzelle notwendig sind.

Das Protein ist, so vermuten die Forscher, an der Verankerung des synaptischen Bandes beteiligt, einer Struktur innerhalb der Nervenendigung des Photorezeptors. Wie ein Förderband sorgt diese elektronendichte Struktur für den kontinuierlichen Nachschub von Botenstoffen, mit denen Signale zwischen der Präsynapse des Photorezeptors und der Postsynapse übertragen werden. Fehlt Bassoon, wie zum Beispiel in genetisch veränderten Mäusen, werden die synaptischen Bänder nicht mehr an der präsynaptischen Membran verankert und schwimmen frei im Innern der Zelle. Die Botenstoffe können somit nicht mehr geordnet an die Synapse gelangen, und der Informationsfluss zur nächsten Nervenzelle ist unterbrochen: Die Mäuse werden nahezu blind.

Die Funktion der Netzhaut wird von den Neurowissenschaftlern anhand der elektrischen Potenziale gemessen, mit denen die Zellen der Netzhaut auf einen Lichtreiz hin antworten, denn die Summe dieser Potenziale kann grafisch dargestellt werden. Die a-Welle zeigt die Antwort der Photorezeptoren, die b-Welle die der nachgeschalteten Nervenzellen – sie ist in Mäusen, denen Bassoon fehlt, deutlich reduziert.

"Unsere Untersuchung zeigt nicht nur, dass Bassoon ein unverzichtbares Protein für den molekularen Aufbau der Photorezeptor-Synapse ist", sagt Brandstätter. "Sie liefert auch erstmals einen direkten Beweis dafür, dass das präsynaptische Band an der Bereitstellung von Botenstoffen für die Signalübertragung beteiligt ist." Nun gelte es zu klären, welche Zusammenhänge zwischen Defekten im Bassoon-Gen und Netzhaut-Erkrankungen bestehen.

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