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Römischer Mühlenkomplex: Der Trick mit dem Knick

Die Mühlen von Barbegal gelten als erster Maschinenkomplex in industriellem Maßstab. Um die 16 Wasserräder hintereinanderzuschalten, brauchte es eine geniale Lösung.
Der Mühlenkomplex von Barbegal

Was genau die Römer im südfranzösischen Barbegal produzierten, ist unklar. Sicher ist nur: Sie mahlten hier in großem Stil Getreide, vielleicht um dem saisonalen Bedarf an Schiffszwieback nachzukommen. Das jedenfalls schlossen Wissenschaftler vor einiger Zeit aus der Tatsache, dass die Anlage nur vom Winter bis in den Frühsommer hinein in Betrieb war, also in jenen Monaten, in denen von den nahe gelegenen römischen Marinehäfen von Arles und Fossae Marianae Schiffe ablegten. Dann, so schätzten Forscher um Cees W. Passchier von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, konnten in der Mühlenanlage rund viereinhalb Tonnen Getreide pro Tag verarbeitet werden.

Die noch erhaltenen steinernen Bauten verraten, dass die Römer an einem Hang acht Getreidemühlen übereinander errichteten, die auf beiden Seiten jeweils ein Mühlrad hatten. Das Wasser dafür wurde durch ein Aquädukt an die Anlage herangeführt und floss dann von Mühlrad zu Mühlrad den Hang hinab. Von den hölzernen Aufbauten und dem oberen Teil der Anlage ist nichts mehr vorhanden. Allerdings erlauben noch erhaltene Kalkablagerungen, die sich in den hölzernen Partien, den Zuläufen und Wasserbecken bildeten, einige Rückschlüsse auf die Infrastruktur des Komplexes.

Mit wie viel technischer Raffinesse die Römer beim Bau der Anlage im zweiten nachchristlichen Jahrhundert zu Werke gingen, erschlossen sich jetzt Passchier und Team aus der Untersuchung einer solchen Kalkablagerung, die ihnen zunächst besonders merkwürdig erschien. Wie sie im Fachmagazin »Scientific Reports« schreiben, bildete sich das Stück in einer Rinne, vermutlich dem Zulauf für ein Wasserrad. Die darin konservierten Abdrücke des Bauholzes zeigen aber, dass diese Rinne einen ellenbogenförmigen Knick machte: Statt das Wasser mit leichtem Gefälle direkt vom oberen Becken auf das Wasserrad zu leiten, hatte der Zulauf offenbar eine steile Anfangspartie, die dann in einen horizontalen oder womöglich leicht ansteigenden Abschnitt überging.

Die Kalkablagerungen zeigen den abgeknickten Zulauf | Die hölzernen Rinnen wurden alle fünf bis zehn Jahre ausgetauscht. Im Betrieb bekamen sie eine dicke Kalkkruste, die ihre Form konservierte und durch ihre chemische Zusammensetzung Informationen über die Anlage liefert.

Eine solche Konstruktion wirkt ineffizient, weil sie die Fallhöhe des Wassers und damit seine Energie verringert. Tatsächlich aber scheinen die Erbauer dies in Kauf genommen zu haben. Denn der Knick hat beträchtliche Vorteile, wie Simulationen des Teams zeigen: Er verhindert zum einen, dass Wasser über den Mund des Zulaufs hinausschießt und dabei das Wasserrad unzureichend füllt, und er bietet dank des abgesenkten Teils eine Art Puffer für den Fall, dass die Zulaufmenge schwankt. Gerade das aber ist zu erwarten, wenn acht Mühlen übereinander betrieben werden in beengten Verhältnissen mit jeweils nur flachen Sammelbecken.

Eine solche Konstruktion mit abgewinkeltem Zulauf sei weder von anderen antiken noch von modernen Mühlen bekannt, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Beitrag. Es sei gut möglich, dass solche einfachen und eleganten Lösungen für komplexe technische Probleme, die in der Antike entwickelt wurden und auf ihre Wiederentdeckung warten, uns auch heute noch zugutekommen – etwa für die nachhaltige Nutzung von Wasserkraft.

Lage und Funktion des ellenbogenförmigen Zulaufs | Vermutlich verfügten nur die beiden unteren Mühlräder über den speziellen Zulauf, denn bei ihnen sind die Wasserbecken tiefer. Hier, ganz unten in der Kette, war außerdem das Problem mit dem schwankenden Zulauf besonders virulent.

Diese Form der Energiegewinnung war für die antike Industrialisierung von größter Bedeutung – nicht nur, um die wachsende Bevölkerung mit gemahlenem Getreide zu versorgen, sondern auch, um Baumaterial in Form von Holz und Steinen zu sägen und Erz aufzubereiten. Dafür liefert die Mühle von Barbegal ebenfalls einen Beleg: Die Sägespuren am Bauholz des abgeknickten Zulaufs sind so regelmäßig, dass sie vermutlich von einer maschinellen Säge stammen, die wohl gleichfalls mit Wasserkraft betrieben wurde. Es wäre der älteste bekannte Hinweis auf die Existenz maschineller Sägewerke.

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