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Asteroiden: Der Zahn der Zeit nagt auch im Weltraum

Ein gutes Vakuum hält viele Dinge frisch. Drehen aber Gesteinsbrocken über Jahrmilliarden hinweg ihre Kreise um die Sonne, verwittern sie ganz allmählich an ihrer Oberfläche. Kein Wunder also, wenn sie anders gefärbt sind als jene Bruchstücke, die als Meteoriten auf die Erde fallen.
Asteroid Ida
Für Geologen ist Stein nicht gleich Stein. Schon alleine die fundamentalen Unterschiede in der Zusammensetzung machen eine Ordnung in verschiedene Klassen nötig. Auch die Herkunft ist zu berücksichtigen. Da wären zum Beispiel die vom Himmel gefallenen Meteoriten, die in den meisten Fällen zu den gewöhnlichen Chondriten (ordinary chondrites, kurz OC) gehören. Ihren Ursprung vermuten Wissenschaftler im Asteroidengürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Genau genommen sollen es die so genannten S-Komplex-Asteroiden sein, die von ihrer Bahn abkommen und nach Millionen Jahre dauernder Wanderschaft schließlich auf die Erde stürzen. Eine recht logisch erscheinende Erklärung, die leider einen Haken hat: CO-Meteoriten und S-Komplex-Asteroiden sehen verschieden aus – sie haben unterschiedliche Farben.

Asteroid Ida | Dieses Falschfarbenbild des Asteroiden Ida mit seinem kleinen Begleiter Dactyl (rechts) zeigt eindrücklich den Effekt der Verwitterung. Blaue Regionen hängen mit frischen, jungen Kratern zusammen, in denen neu freigelegtes Material an der Oberfläche zu sehen ist. Auch an Graten und steilen Absätzen zeigen sich frische Flecken, weil dort Material durch winzige "Beben" in Bewegung gerät.
Die roten Flächen weisen hingegen auf alte Krater hin und Ebenen hin, die seit langer Zeit nicht mehr überprägt wurden.
Das ist allerdings noch kein Grund, die Theorie gleich über den Haufen zu werfen. Denn als mögliche Ursache für diese Diskrepanz bieten Forscher einen Effekt an, den wir von der guten alten Erde sehr gut kennen: Verwitterung. Nun regnet es im Weltall nicht, und ebensowenig gibt es Wind oder gar Sandstürme – zumindest nicht in der gleichen Form wie auf der Erde. Fasst man diese Begriffe jedoch etwas weiter und schaut genauer hin, dann sind die Asteroiden tatsächlich einem bescheidenen Wetter ausgesetzt: Immer wieder schlagen winzige Steinkörnchen auf ihnen ein und erhitzen dabei die Oberfläche. Hinzu kommen die Ionen des ständig wehenden Sonnenwindes und gelegentlicher Sonnenstürme. Im langen Laufe eines Asteroidenlebens sammelt sich da eine ziemliche Belastung der Oberfläche an, die ihre Spuren hinterlässt.

Bestätigt wurden diese Überlegungen von Satellitenaufnahmen, auf denen Wissenschaftler zwischen den alten Regionen einzelner Asteroiden und jüngeren Bereichen, die durch Zusammenstöße und Einschläge freigelegt worden waren, unterscheiden konnten. Obendrein ließ sich der Prozess im Labor simulieren. Hierzu ahmten Laserblitze die lokale Erhitzung durch die einprasselnden Gesteinskörnchen nach. Was noch fehlte, war eine Art Eichkurve, welche die Farbe eines Asteroiden mit dem Alter seiner Oberfläche verknüpfte.

Diese Lücke haben nun Astrophysiker um Robert Jedicke von der Universität Hawaii in Honolulu geschlossen. Sie werteten Datensätze von etwa 10 000 Asteroiden aus, die unter anderem im Katalog sich bewegender Objekte verzeichnet sind, der Teil des Sloan Digital Sky Survey ist. Für jeden einzelnen Gesteinsbrocken ermittelten die Forscher eine "Farbe", die den Wellenlängenbereich von 350 bis 900 Nanometer umfasste, also neben dem sichtbaren auch das infrarote Licht berücksichtigte. Die grafische Auftragung gegen das Alter zeigt, dass betagtere Asteroiden durch die Verwitterung immer "roter" werden. Wird der Brocken dagegen bei einer Kollision in kleinere Stücke zerschlagen, kommen frische Bruchstellen mit unverwittertem Gestein ans Tageslicht. Und so ganz nebenbei geraten manche Teilchen auf schiefe Bahnen, die sie schließlich als Meteoriten auf die Erde stürzen lassen. Was hier zu Boden fällt, ist somit ein relativ frisch abgebrochenes Stück. Kein Wunder also, wenn es anders gefärbt ist als die unversehrt gebliebenen Asteroiden.

Völlig zufrieden sind Jedicke und seine Kollegen allerdings noch nicht mit ihrem Ergebnis. Weil es viel zu wenig detaillierte Daten von Asteroiden gibt, musste die Kurve ziemlich grob bleiben. Schnelle Effekte sind darauf ebenso wenig zu erkennen wie die Auswirkungen der einzelnen Verwitterungsphänomene. Dafür könnte die Farbbestimmung der Gesteinsbrocken eventuell einen Beitrag für die Suche nach erdnahen Objekten liefern, die eines Tages auf die Erde stürzen könnten. Sieht ein Asteroid nämlich an seiner Oberfläche jung aus, ist vielleicht auch seine bisherige Umlaufbahn instabil, und er macht sich demnächst auf den Weg in Richtung Erde. Nach dem aktuellen Wissensstand sind es dann bis zum Einschlag noch mehrere Millionen Jahre, doch wer weiß, ob wir da schon genug wissen. Schaden kann es jedenfalls nicht, sich das Farbenspiel der Asteroiden einmal genauer zu betrachten.

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