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News: Deutsche Experimente mit John Glenn im All

Wenn am 29. Oktober John Glenn mit sechs weiteren Astronauten - darunter auch ESA-Astronaut Pedro Duque - in den Weltraum startet, werden sich eine Reihe äußerst interessanter Experimente aus Deutschland an Bord befinden. Insgesamt elf wissenschaftliche Untersuchungen sind unter Förderung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vorgesehen - mit teilweise spektakulären Fragestellungen: von der Proteinkristallzucht zu medizinischen und pharmazeutischen Zwecken über materialwissenschaftliche Untersuchungen zu Legierungen für die Metallindustrie bis zu einem faszinierenden Versuch, der erstmals die Entstehung von Planeten simulieren soll. Die Mission STS 95 wird vom Kennedy-Space-Center aus starten und acht Tage in der Umlaufbahn verbringen.
Einblick in die "Kinderstube" von Planeten

Einen Blick in die "Kinderstube" von Planeten wollen Astrophysiker der Universität Jena werfen. Sie schicken mit Unterstützung des DLR das Projekt CODAG (Cosmic Dust Aggregation) ins All, das erstmals die Geburt eines Planeten simuliert. Planeten entstehen aus Mikrometer kleinen Staubpartikeln, die im Weltall aufeinanderprallen und zu allmählich wachsenden Klumpen zusammenbacken. Bis ein Himmelskörper mit eigener Schwerkraft entsteht, vergehen Tausende von Jahren, bis ein "ausgewachsener" Planet herangereift ist, Jahrmillionen.

Die Theorie über derartige Wachstumsprozesse in der ersten Phase soll nun empirisch überprüft werden. In einer zwei Liter großen Vakuumkammer, die mit an Bord der Discovery sein wird, werden feinste Staubteilchen eingebracht und ihr Verhalten beim Aufeinandertreffen in Schwerelosigkeit durch Kameras festgehalten. Von besonderem Interesse sind die Anziehung, das Zusammenhaften, die Formenbildung und die Massenverteilung der Teilchen unter Bedingungen, wie sie in der Frühphase des Universums herrschten.

Fünf Varianten der Proteinkristallisation

Der Schwerpunkt der medizinischen und biologischen Forschung liegt auf der Proteinkristallisation. Die Versuchseinheiten APCF (Advanced Protein Cristallisation Facility) und CPCF (Commercial Protein Cristallisation Facility) wurden in Deutschland vom Geschäftsbereich Raumfahrtinfrastruktur der Daimler-Benz Aerospace (Dasa) im Auftrag der ESA gebaut.

Die Züchtung von Proteinkristallen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit ist für die Medizin und Biologie von grundlegender Bedeutung. In Schwerelosigkeit lassen sich besser geordnete Kristalle züchten als auf der Erde. Dies ermöglicht eine eindeutigere Bestimmung der Struktur. Das Wissen um die Proteinstruktur wiederum kann zur Verbesserung der Verträglichkeit und Wirksamkeit von Medikamenten beitragen. Fünf verschiedene Experimente werden im medizinischen und biologischen Bereich der Proteinkristallisation laufen.

Auch am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg, erhofft man sich durch die Proteinkristallisation neue Erkenntnisse für die Patientenbehandlung. Sie nutzen diesen Flug ins All für die Kristallzucht der Proteingruppen Subtilene und Allergene. Subtilen-Proteine sind interessant für die Behandlung von Wunden und zur Förderung der Heilung. Das sogenannte Allergen trägt die Verantwortung für den Ausbruch von Allergien beim Menschen.

Die Struktur von Nukleinsäuren

Die Nukleinsäure-Forschung des Instituts für Biochemie der FU Berlin beschäftigt sich mit der Struktur und der Funktion von Ribonukleinsäuren (den Kopien des genetische Codes). Die Nukleinsäuren konnten bisher kaum erforscht werden, da sie auf der Erde nur äußerst schwer kristallisieren. Mit der Züchtung in Schwerelosigkeit erhoffen sich die Forscher klarere „Einblicke" in den Aufbau von Nukleinsäuren, um so ein neues „Drug-Design" auf den Weg bringen zu können. Langfristig sollen so Alternativen zu der bisherigen Diagnostik und zur Antibiotika-Medikamentation entwickelt werden. Denn ein immer häufiger auftretendes Problem ist die Resistenz von Krankheitserregern gegen antibiotische Medikamente.

Viren, Photosynthese und Bakterien

Ein „prominentes" Virus wird von dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie, Heidelberg, in Schwerelosigkeit untersucht: das Herpes Virus Simplex Typ 1. Die Versuche sollen den Lebenszyklus und die Facetten der Zellregulation des Proteins besser erläutern.

Im Bereich der Biologie liegt der Forschungsschwerpunkt während dieser Shuttle-Mission auf der Photosynthese. Die besondere Aufmerksamkeit gilt dem Prozeß der Umwandlung von Licht in chemische Energie unter Schwerelosigkeit.

Zudem werden die Oberflächenproteine der lithotrophen Bakterien aus der Gruppe der Archaebakterien näher unter die Lupe genommen. Diese Bakterien findet man ausschließlich in Steinen und in der Tiefsee, also unter hohen Druckbedingungen, sowie in Schwefelquellen. Man vermutet, daß sie Überbleibsel aus der „Ursuppe" sind.

Materialwissenschaften

Auf dem Gebiet der Materialwissenschaften führen deutsche Wissenschaftler insgesamt fünf Experimente durch. Unter anderem beschäftigt sich das Experiment von ACCES, Aachen, mit der für die Industrie relevanten Erstarrung von Legierungen. Das theoretische Verständnis des Prozesses der Erstarrung soll verfeinert werden und zu einer besseren Steuerung industrieller Prozesse führen.

An der Mission beteiligte deutsche Einrichtungen:

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Astrophysikalisches Institut und Universitätssternwarte der Universität Jena

FU Berlin, Institut für Biochemie

Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Arbeitsgruppe für Makromolekulare Strukturanalyse, Hamburg

Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie, Heidelberg

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