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Iglu-Studie 2006: Deutsche Viertklässler lesen gern und gut

Harry Potter-Lektüre
Deutsche Schüler schneiden bei der Lesekompetenz im internationalen Vergleich im oberen Viertel ab. Den ersten Platz belegt die Russische Föderation, gefolgt von Hongkong, Kanada und Singapur und unter den europäischen Ländern Luxemburg (Fünftklässler), Italien, Ungarn und Schweden (mit nur einem Punkt Vorsprung). Der Anteil der herausragenden Leser liegt mit knapp elf Prozent allerdings noch immer niedrig, wenn auch höher als 2001. Außerdem hat sich die Zahl der Viertklässler mit niedriger Lesekompetenz im Vergleich zu vor fünf Jahren verringert.

Kinder, die einen Kindergarten oder eine andere Form von Vorschule besuchten, schnitten in den Leseverständnistests in allen Ländern durchschnittlich besser ab. Und wieder einmal, analog zu den Pisa-Studien, zeigt sich in Deutschland gravierend der Einfluss des Elternhauses: Kinder aus bildungsnahen Familien wiesen erheblich bessere Leistungen als Altersgenossen mit schwächerem sozialen oder Migrationshintergrund auf. Die Spannbreite der Bewertungen überschreitet deutlich den internationalen Durchschnitt. Dafür ist in keinem anderen Land der Unterschied zwischen dem Anteil lesender Jungen und Mädchen so gering wie hier. Und obwohl im internationalen Vergleich das Lesen zuhause von den Eltern unterdurchschnittlich gefördert wird, liegt der Anteil der Kinder, die in ihrer Freizeit gern lesen, bei 53 Prozent – und damit an zweiter Stelle hinter der Russischen Föderation.

Positiv vermerkten die Forscher zudem, dass sich Zahl und Ausstattung der Grundschulen mit Büchereien und neuen Medien, die auch im Unterricht eingesetzt werden, deutlich verbessert hat. Der Unterricht selbst sei aber noch immer überwiegend traditionell geprägt, und eigenständiges Lesen und selbstständige Textauswahl sowie eine individuelle Förderung kämen nach wie vor zu kurz.

Die Autoren um Wilfried Bos, Wissenschaftlicher Leiter der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) und Direktor des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IfS) an der Technischen Universität Dortmund fordern auf Grundlage der Ergebnisse unter anderem, den Besuch vorschulischer Einrichtungen zu fördern sowie die Durchlässigkeit im Schulsystem zu erhöhen. Auch sei eine gezielte Elternarbeit und ein Mildern sozialer Ungleichheiten nötig; Kinder mit Migrationshintergrund sollten besonders berücksichtigt werden. Bos hatte die Erkenntnisse zusammen mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, und Jürgen Zöllner, Präsident der Kultusministerkonferenz, am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Berlin bekannt gegeben.

Zur Lesekompetenz zählt weit über das pure (Vor-)Lesen hinaus vor allem das Textverständnis, das in entsprechenden Aufgaben erfasst wurde. So sollten die Kinder Fragen zum Inhalt kurzer Geschichten beantworten, in denen beispielsweise ein Hase panische Angst vor Erdbeben hat oder eine Gruppe isländischer Kinder junge Papageientaucher aufsammelt, um sie vor Katzen, Hunden und Autos zu schützen.

Zu den Schwerpunkten der Iglu 2006 zählte unter anderem das Leseselbstkonzept, also die persönliche Einschätzung der eigenen Lesefähigkeiten. Kinder, die hier früh negative Erfahrungen machen, verlieren eher die Lust am Lesen, das seinerseits aber eine entscheidende Grundlage für Lernprozesse aller Art darstellt. Weiterhin erfassten die Forscher, inwieweit Jungen, die in der Lesekompetenz durchschnittlich schlechter abschneiden als Mädchen, von Lehrern gezielt gefördert werden und welchen Eingang digitale Medien inzwischen im Unterricht finden. Und sie interessierten sich für neue Schuleingangsmodelle, in denen Kinder teilweise in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen zusammengefasst werden und welchen Erfolg Ganztagsmodelle bieten. Außerdem stand der Einfluss des soziokulturellen Hintergrunds der Familien im Fokus.

Während in vielen Ländern schon seit den 1960er Jahren regelmäßig Schulleistungsstudien und Vergleichsuntersuchungen zu Schülerkompetenzen durchgeführt werden, erlangte das Thema in Deutschland erst mit der Teilnahme an Pisa (Programme for International Student Assessment) Gewicht. Da diese sich auf Schüler der Mittelstufe beschränken, ergänzen die Iglu-Studien – die erste erfolgte 2001 – den Überblick um die Grundschüler.

An Iglu 2006 nahmen insgesamt 45 Staaten beziehungsweise Regionen mit Bildungshoheit teil – vorwiegend in Europa sowie Kanada und USA, aber auch Iran, Marokko, Südafrika oder Trinidad und Tobago. (af)

©spektrumdirekt

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