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Wasserverlust: Deutschland trocknet aus - aber nicht so stark wie gedacht

In Deutschland gehen jährlich 760 Millionen Tonnen Wasser verloren. Einzelne niederschlagsreiche Jahre gleichen den Verlust nicht aus.
Niedrigwasser im Rhein bei Köln
In den zurückliegenden Dürresommern sank der Wasserspiegel in Flüssen und Seen mancherorts Besorgnis erregend stark - wie hier im Rhein bei Köln.

Deutschland hat in den zurückliegenden 20 Jahren jedes Jahr durchschnittlich 760 Millionen Tonnen Wasser verloren. Zu diesem Schluss kommt ein Team des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) gemeinsam mit Forschenden der Universität Bonn und des Forschungszentrums Jülich. Gründe für den Wasserverlust sind demnach die abnehmende Bodenfeuchte infolge der massiven Sommerdürren, schwindendes Grundwasser, abschmelzende Gletscher und der gesunkene Wasserspiegel in Flüssen und Seen. Ob sich daraus ein Trend für die Zukunft ableiten lässt, ist allerdings noch unklar. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift »Hydrologie & Wasserbewirtschaftung« erschienen.

Seit 2002 seien zusammengerechnet 15,2 Milliarden Tonnen Wasser verloren gegangen, heißt es in der Analyse. Zum Vergleich: Alle Sektoren in Deutschland von Industrie über Landwirtschaft bis zu Privathaushalten verbrauchen jährlich rund 20 Milliarden Tonnen Wasser.

Das Forschungsteam stützt sich auf Daten der Satellitenmissionen GRACE (2002 bis Missionsende 2017) und GRACE-Follow On (seit 2018 aktiv). Die Doppelsatellitensysteme vermessen die Erdanziehungskraft, das so genannte Schwerefeld, sowie deren Änderungen global auf Monatsbasis. Aus diesen Daten lassen sich Massenverlagerungen erkennen, die wiederum Rückschlüsse auf Veränderungen im Wasserkreislauf erlauben. Im Jahr 2022 hatte es geheißen, Deutschlands Gesamtwasserspeicher verliere fast 2,5 Milliarden Tonnen Wasser pro Jahr, besonders betroffen sei der Südwesten. Das entspräche etwa dem Volumen des Bodensees. Um diese Werte zu überprüfen, verglichen die Wissenschaftler vier verschiedene Auswertemethoden. Sie kamen damit zu einem deutlich geringeren Wasserverlust.

Nachteilig an der Messmethode sei, wie die Forscher erläutern, dass die räumliche Auflösung der Schwerefelddaten vergleichsweise grob ist und lediglich rund 300 mal 300 Kilometer beträgt. Verlässliche Aussagen ließen sich daher nur für Gebiete von etwa 100 000 Quadratkilometer Größe treffen, was ungefähr der Fläche der ostdeutschen Bundesländer entspricht. Zudem müssten einige weitere störende Effekte herausgerechnet werden. So ändere sich das Schwerefeld der Erde auch, ohne dass Wassermassen akut fluktuieren, etwa weil sich in manchen Regionen nach dem Verschwinden der eiszeitlichen Gletscher heute noch die Erdkruste hebt.

Über weite Teile des Beobachtungszeitraums, insbesondere in den Jahren zwischen 2004 und 2015, stimmen die Ergebnisse aller vier Auswertungsmethoden gut überein. Unterschiede gab es vor allem zu Beginn und am Ende der Zeitreihe. Leicht unterschiedliche Analyseperioden resultieren daher in deutlich unterschiedlichen Trendwerten. Der Hydrologe am GFZ und Leitautor der Studie Andreas Güntner gibt daher zu bedenken: »Die Beobachtungen aus allen Datensätzen zeigen, dass ein Jahr mit höheren Niederschlägen wie 2021 nicht ausreicht, um die Defizite der Wasserspeicherung, die sich über den längeren Zeitraum angesammelt haben, wieder auszugleichen.« Die Beobachtungsreihen müssten dringend fortgesetzt werden, um das langfristige Verhalten der Speicherdynamik und des Wasserangebots in Deutschland erfassen und prognostizieren zu können.

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