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News: Die andere Seite des Brustkrebs-Gens BRCA1

Das Gen BRCA1 hat einen schrecklichen Ruf, steht es doch im Verdacht, Brust- und Eierstockkrebs auszulösen. Doch dies trifft nur zu, wenn das Gen eine Mutation trägt. Seine andere Seite kannte bisher niemand. Bei rascher Zellteilung sorgt es offenbar für einen reibungslosen Ablauf, indem es beschädigte DNA-Stränge repariert.
In 50 Prozent der erblich bedingten Brustkrebs-Erkrankungen ist das BRCA1-Gen beteiligt. Verantwortlich für die Krebs auslösende Wirkung ist eine Mutation, die die Funktion des Proteins auf dramatische Weise verändert. Und bislang haben Ärzte mehr als 100 verschiedene Mutationen gefunden, die ein erhöhtes Risiko für die Trägerin bedeuten.

Doch das Gen hat auch eine normale Funktion, die ein Forschungsteam des Austin College of Natural Sciences der University of Texas nun aufdeckte. Frühere Arbeiten hatten die besondere Vorliebe des normalen BRCA1-Proteins für die Erbinformation DNA gezeigt. Zusammen mit anderen Proteinen bindet es an die Nukleinsäure und beteiligt sich an der Reparatur beschädigter Abschnitte. Aber das Protein scheint nicht einfach ein beliebiger Mitspieler zu sein, sondern steht vielmehr in Verdacht, die Aufgabe des Spielführers zu übernehmen.

Um ihre Vermutungen zu überprüfen, ließ das Team um die Molekulargenetikerin Tanya Paull menschliches BRCA1-Protein mit der DNA interagieren. Hierbei entlarvte es seine eigentliche Aufgabe, die bei raschen Zellteilungen besonders zutage tritt. So teilen sich bei jedem Teenager die Hautzellen der Brust besonders eifrig. Für eine kontrollierte Teilung bleibt hier kaum Zeit und so schleichen sich immer mehr Fehler in die geregelte Verdopplung der Erbinformation: Chromosomenbrüche entstehen. Und genau diese Strukturen sind das bevorzugte Ziel des untersuchten Proteins.

Für die Bindung an die beschädigte DNA braucht das Protein keine Helfershelfer, wie Paull in ihren Arbeiten zeigen konnte. Es bindet direkt an die Nukleinsäure und nicht an andere Proteine, die sich schon dort angesiedelt haben. Dies legt nahe, dass das BRCA1-Protein ein einleitender Erkennungsfaktor ist, der an gebrochene oder schlecht reparierte DNA-Moleküle bindet. Seiner Vorreiterrolle steht somit nichts mehr im Wege. Und in diesem Sinne könnte es auch die Aktivität der nachfolgenden Proteine dirigieren und sie alle zusammen bringen.

Die Ergebnisse machen auch deutlich, warum eine Mutation in diesem wichtigen Gen von solch tödlicher Bedeutung ist. Fällt das Protein aufgrund einer Mutation aus, vermehren sich die bei der schnellen Zellteilung auftretenden DNA-Schäden, bis Krebszellen entstehen. Erst seine normale Funktion hält diese Entwicklung in Schacht.

Einen ergänzenden Schritt auf diesem Feld gelang einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern der Columbia University und des Dana-Farber Cancer Institute. Um die Auswirkung eines mutierten BRCA1-Gens untersuchen zu können, entwickelten die Forscher ein entsprechendes Mausmodell. Hierbei gelang es ihnen als Erste, die Mäuse überhaupt lebensfähig zu erhalten. Bisherige Modelle waren immer daran gescheitert, dass die Tiere mit zwei defekten Kopien des Gens bereits während der Embryonalentwicklung starben. War nur eine Kopie fehlerhaft, entwickelten die Mäuse keine Tumoren.

Das Team um Argiris Efstratiadis modellierte seinen Mausstamm am menschlichen Vorbild. Sie fügten eine spezielle Mutation ein, die zu einem verkürzten BRCA1-Protein führt. Diese Mäuse sind lebensfähig und entwickeln eine ganze Variation von Tumoren, inklusive Brustkrebs. Um die Entstehung von Brustkrebs aufzuklären, aber auch um seine Behandlung zu verbessern, könnte das Modell eine hervorragende Voraussetzung sein.

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  • Quellen
Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.111125998 (15.5.2001)
Genes & Development 15(10) (2001)

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