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News: Die Auferstehung der Geister

Seit mehr als 20 Jahren sind Astronomen Zeugen mysteriöser Erscheinungen in Galaxienhaufen: Dort senden Millionen Lichtjahre große Regionen zwischen den Galaxien Radiostrahlung aus, obwohl es hier nichts zu geben scheint, was für die Strahlung verantwortlich sein könnte. Astrophysiker haben nun offenbar eine Erklärung für das Phänomen: Demnach lassen Stoßwellen von gigantischen Kollisionen uralte Blasen aus Plasma wieder erglühen.
Tagtäglich erreicht Strahlung aus ganz unterschiedlichen Regionen des Alls die Erde. Viele Quellen sind mittlerweile bekannt und in manchen Fällen haben Wissenschaftler auch Erklärungen parat, was die elektromagnetischen Wellen erzeugt. Aber es gibt auch Strahlung, deren Ursprung im wahrsten Sinn im Dunkel liegt. Nun scheint zumindest geklärt zu sein, warum manche Galaxienhaufen scheinbar aus dem Nichts Radiowellen aussenden.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik kamen nun zu dem Schluss, dass diese so genannten Radiorelikte sehr wahrscheinlich aus alten Überresten von Jets bestehen – energiereichen Ausstößen eines Schwarzen Lochs. Wie man aus Beobachtungen weiß, beherbergen viele Galaxien – wenn nicht alle – massereiche Schwarze Löcher in ihren Zentren. Wenn so ein kosmischer Schlund Gas aus seiner Umgebung verschluckt, stößt er andererseits sehr heißes, Radiowellen emittierendes Plasma in zwei entgegengesetzten Strahlen aus. Diese blähen große Blasen aus Plasma auf, die viel größer sein können als die Galaxie, die sie hervorbringt. Die Radioemission dieser Blasen erlischt nach etwa 100 Millionen Jahren. Danach sind sie für uns unsichtbare Objekte – die so genannten "Radiogeister".

Aber wie kommt es, dass die Radiogeister als Radiorelikt wieder zum Leben erwachen und wieder anfangen Radiowellen zu emittieren? Einen entscheidenden Hinweis gaben Beobachtungen im Bereich der Röntgenstrahlung von Galaxienhaufen mit Radiorelikten: In "normalen" Haufen ist nämlich heißes, im Röntgenbereich strahlendes Gas kugelsymmetrisch zwischen den Galaxien verteilt; doch in den Haufen mit Relikten beobachteten die Forscher starke Deformationen der Gasverteilung. Diese Verformungen deuten darauf hin, dass hier zwei Galaxienhaufen kollidieren. Derartige Kollisionen sind – soweit bekannt – die energiereichsten Ereignisse des Universums nach dem Urknall. Während der Zusammenstöße bilden sich riesige Stoßwellen, in denen das Gas komprimiert und erhitzt wird. Dabei wird Energie in einer Menge freigesetzt, die auch die Strahlung der Radiorelikte speisen kann. Mehrere Röntgenbeobachtungen zeigten, dass sich an ihrem Ort auch tatsächlich Stoßwellen befinden.

Torsten Enßlin vom Max-Planck Institut für Astrophysik in Garching und Gopal-Krishna vom National Centre for Radio Astrophysics in Puna konnten außerdem auch theoretisch zeigen, dass eine starke Stoßwelle die Radioemission eines Radiogeistes wieder anfachen kann – selbst, wenn dieser schon vor einer Milliarden Jahre erloschen ist. Dreidimensionale Simulationen von Enßlin und Marcus Brüggen, ebenfalls vom Max-Planck Institut, illustrieren diesen Vorgang: Ein ursprünglich kugelförmiger Radiogeist, der mit extrem heißen Plasma gefüllt ist, wird von einer Stoßwelle überrollt und verwandelt sich so in ein ringförmiges Radiorelikt.

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