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Meteorologie: Die Aussichten fürs Wochenende

Trägt der Sonntag seinen Namen zu Unrecht? Ja und nein, meinen Klimaforscher. Schuld daran soll der wirtschaftende Mensch sein, der über die Luftverschmutzung Regen und Sonnenschein im Wochenverlauf beeinflussen könnte.
Schwere Unwetterwolke im Gegenlicht
"Wochenend und Sonnenschein und dann mit dir im Wald allein, weiter brauch ich nichts zum Glücklichsein, Wochenend und Sonnenschein ..." Dieses Lied der Comedian Harmonists – der auch international bekannten Berliner Vokal-Kombo – zählt zu den Meisterwerken der deutschen Sangeskunst und wird immer noch gerne geträllert. Nur: Leider scheinen die Deutschen sich gerne selbst einen Strich durch ihre sams- und sonntäglichen Schönwetterplanungen zu machen, wie Dominique Bäumer und Bernhard Vogel von der Universität Karlsruhe letztes Jahr entdeckt haben [1].

Gewitter | Menschengemachte Aerosole beeinflussen das Wetter – und können wohl das Wochenende ins Wasser fallen lassen.
Nach Auswertung von 15 Jahren an Wetterdaten von zwölf Wetterstationen, die sich über das ganze Land verteilen, kamen sie zu dem bedauerlichen Schluss, dass es hierzulande ausgerechnet am Wochenende überproportional häufig bewölkt und regnerisch ist, während der Montag mit Sonnenschein glänzen kann. Schuld daran hat aber nicht allein Petrus: Wir selbst machen zu einem guten Teil das Wetter, folgern die beiden Klimatologen. Denn werktags pusten unzählige Autos der Pendler, Industrieanlagen und Kraftwerke Ruß, Schwefelpartikel und andere Schwebeteilchen – die so genannten Aerosole – in den Himmel. Samstags fährt die Wirtschaft dagegen ihre Produktion herunter, weniger Berufstätige verstopfen die Straßen, und die Energienachfrage sinkt: Die Luft wird klarer.

Aerosole beeinflussen allerdings das Wetter, denn sie dienen als Keimzellen der Wolkenbildung: Wasserdampf lagert sich an ihnen an, bis sich immer größere Tröpfchen bilden, die schließlich schwerkraftbedingt aus dem Himmel fallen. Und da sich der Dreck über die Woche in der Atmosphäre anreichere, wachse nunmal das Regenrisiko am Wochenende, so der Schluss von Bäumer und Vogel. Mitnichten, rief ihnen dann jedoch vor wenigen Monaten ihr Schweizer Kollege Harrie-Jan Hendricks Franssen von der ETH Zürich zu [2]. Er wog die deutschen Daten ab, verglich sie mit hundertjährigen Zeitreihen aus Zürich und Lugano und befand sie letztlich für zu leicht.

Der postulierte Zusammenhang sei vielmehr Zufall, wie Hendricks Franssen per Monte-Carlo-Analyse seiner Zahlen ermittelte: Sie wirft die Daten immer wieder wild durcheinander, um mögliche Unsicherheiten im Rechenmodell aufzudecken. Zwar könnte sich tatsächlich in einer nur 15 Jahre währenden Zeitspanne zufällig Samstags und Sonntags schlechtes Wetter einstellen, doch die Wahrscheinlichkeit, dass sich dies in den nächsten 15 Jahren umgekehrt verhielte, sei genauso groß, so der Schweizer Meteorologe. Seine Behauptung untermauerte er zudem mit der Wettersituation Luganos, deren Bewohner sich während des Beobachtungszeitraums von 1991 bis 2005 über den Samstag als sonnigsten Tag freuen durften – obwohl die über ihre Grenzen hinaus schmutzende Metropole Mailand in relativer Nähe liegt.

Nun springt den beiden deutschen Forschern jedoch wiederum ein spanisches Ermittlerteam um Arturo Sánchez-Lorenzo von der Universidad de Barcelona bei [3]: Womöglich unterscheiden sich die Aussichten für das Wochenende von Land zu Land – markante Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz inklusive. Sanchez-Lorenzo und seine Kollegen verglichen für ihre Studie die Wetteraufzeichnungen von 13 Stationen aus spanischen Städten wie ländlichen Regionen und dehnten später noch ihre Analyse auf das gesamte westliche Europa aus, dessen Luftdruckverhältnisse sie während des Messzeitraums überprüften.

Sowohl Spanier und Briten als auch Franzosen aus dem Westen der Grande Nation dürfen sich demnach über sonnigere Winterwochenenden freuen – ein Muster, das von anderen Forschern auch für Teile der Vereinigten Staaten bereits ermittelt wurde. In Island und Grönland sind die beiden freien Tage dagegen dummerweise überdurchschnittlich schmuddelig – so wie spanische Sommerwochenenden auch: Sie sind verglichen mit dem Rest der Woche ebenfalls kühler und feuchter.

Kumuluswolke | Eine gewaltige Kumuluswolke baut sich auf: Aerosole können die Wolkenbildung beeinflussen und je nach Beschaffenheit zu sehr heftigen Niederschlägen überleiten oder Trockenheit erzeugen.
Wieder sollen die Aerosole eine Rolle spielen: Sie erleichtern nicht nur die Wolkenbildung, sondern können sie auch verzögern oder gar ganz verhindern. Je dunkler die Mischung dieser Teilchen ist und je mehr Sonnenlicht sie dadurch absorbieren, desto geringer ist die Wolkenbildungsrate, wie Forschungen aus verschiedenen Teilregionen der Erde zeigen. Viel Ruß in der Atmosphäre – beispielsweise aus Waldbränden oder Ölheizungen – verhindert durch seine Sonnenschirmwirkung am Boden übermäßige Erwärmung, sodass weniger Feuchtigkeit in die Atmosphäre steigt und sich an den Aerosolen sammelt. Dagegen begünstigen Saharastäube oder die relativ hellen Schadstoffe aus Industrieanlagen, dass relativ heftige Niederschlagsereignisse entstehen: Sie lagern die Feuchtigkeit an, verzögern jedoch den Regen bis die Tropfen übergroß geworden sind.

Wie die beobachteten Wochenrhythmen mit den Aerosolen aus Industrie und Technik global und generell in Einklang zu bringen sind, überfordert die Wissenschaftler noch, wie auch Sánchez-Lorenzo indirekt zugesteht: "Wir vermuten, dass diese Zyklen mit Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation über Westeuropa zusammenhängen, die vielleicht direkt oder indirekt von den Aerosolen ausgelöst werden." Bis diese Frage geklärt ist, dürften wohl noch einige verregnete Wochenende ins Land gehen. Die Comedian Harmonists jedenfalls hatten eine anderen Wettermanipulator im Verdacht: "Kein Auto, keine Chaussee, und niemand in unsrer Näh'. Tief im Wald nur ich und du, der Herrgott drückt ein Auge zu, denn er schenkt uns ja zum Glücklichsein Wochenend und Sonnenschein."

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  • Quellen
[1] Bäumer, D., Vogel, B.: An unexpected pattern of distinct weekly periodicities in climatological variables in Germany. In: Geophysical Research Letters 34, L03819, 2007.
[2] Hendricks Franssen, H.J.: Comment on "An unexpected pattern of distinct weekly periodicities in climatological variables in Germany" by Dominique Bäumer and Bernhard Vogel. In: Geophysical Research Letters 35, L05802, 2008.
[3] Sanchez-Lorenzo, A. et al.: Winter "weekend effect" in southern Europe and its connections with periodicities in atmospheric dynamics. In: Geophysical Research Letters 10.1029/2008GL034160, 2008.

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