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News: Die DNA als schwergängiger Reißverschluß

Die Erbsubstanz DNA besteht aus zwei Strängen, die durch Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Einzelbausteinen Adenin und Tyrosin, bzw. Cytosin und Guanin zusammengehalten werden. Mit Mikrotechniken haben Wissenschaftler die Anziehungskräfte gemessen. Sie glauben, mit einer verfeinerten Methode sogar eine grobe Sequenzierung der DNA vornehmen zu können.
Wenn Sie meinen, es sei schwierig, mit Fausthandschuhen versehen, den Reißverschluß Ihres Mantels zu öffnen, dann sollten Sie mal versuchen, die doppelsträngige DNA auseinanderzureißen. Nun ist es Wissenschaftlern zum ersten Mal gelungen, ein DNA-Molekül mit Hilfe einer Art molekularer Pinzette aufzutrennen (Proceedings of the National Academiy of Sciences vom 28. Oktober 1997). Mit dieser Methode könnten versteckte Gene in unbekannter DNA eventuell schneller aufgespürt werden.

Vor zwei Jahren gelang es Biophysikern, die Kraft zu messen, die ein einzelnes Molekül der RNA-Polymerase ausübt, während es an einem DNA-Strang entlangwandert und den genetischen Code liest (Science vom 8. Dezember 1995). Dies inspirierte den Physiker François Heslot und seine Kollegen an der École Normale Supérieure in Paris dazu, eine Methode zu entwickeln, mit der sich die Kraft messen läßt, die eine Polymerase aufbringen muß, um die DNA-Doppelhelix in zwei Stränge aufzutrennen.

Die Forscher versahen ein 30 Mikrometer langes Stück DNA an zwei geeigneten Punkten mit kleinen Proteinen. Über eines der Proteine wurde ein Ende der DNA an einem speziell beschichteten Glassobjektträger gebunden. Etwa in der Mitte der DNA führten sie einen Bruch herbei und setzten das zweite Protein an das lose Ende des geschnittenen Stranges. Dieses Protein heftete sich fest an ein treibendes, beschichtetes Mikrokügelchen. Als die Forscher mit einer Mikronadel das klebrige Kügelchen berührten und den Glasobjektträger langsam wegschoben, riß die Spannung die DNA-Stränge auseinander.

Die Zugspannung an der Nadel ließ sich an der Stärke ihrer Biegung messen. Sie entsprach in etwa dem Gemisch der Basenpaare, deren Bindungen die Helix zusammenhalten. Zwischen Tyrosin und Adenin gibt es nur zwei, zwischen Cytosin und Guanin dagegen drei Bindungen. Die DNA sollte daher in Bereichen mit viel Adenosin und Tyrosin leichter auseinanderreißen als in Regionen mit mehr Cytosin-Guanin-Paaren.

Da die Anfänge vieler Gensequenzen reich an Cytosin und Guanin sind, könnte nach Ansicht von Heslot die Messung subtiler Veränderungen in der Spannung der Nadel eine vielversprechende Methode zur raschen Entdeckung von Genen in unbekannten Bereichen der DNA sein. Gegenwärtig lassen sich mit Heslots Mikronadel nur dann Unterschiede zwischen verschiedenen Zusammensetzungen feststellen, wenn sie sich über mehrere Hundert Basenpaare erstrecken. Doch sein Team glaubt, daß es die Auflösung auf jeweils 20 Basenpaare verbessern kann. Dies würde es den Forschern ermöglichen, „einen sehr schnellen Eindruck” von der Sequenz zu erhalten, sagt Heslot, so daß sie sich auf kleinere, interessante Abschnitte konzentrieren könnten. Damit ließen sich Zeit und Kosten sparen, welche mit der Sequenzierung Base für Base verbunden sind.

Mit dieser Technik können Biophysiker eventuell auch erforschen, wie die DNA in RNA übersetzt wird. „Im Grunde beruht die gesamte Molekulargenetik darauf, Stränge auseinanderzudröseln, Stränge zu lesen und Stränge wieder zusammenzufügen”, sagt John Marko von der University of Illinois. „Nun sind wir in der Lage, Doppelhelix-Stränge im Reagenzglas unter sehr kontrollierten Bedingungen zu trennen.”

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