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Stellarphysik: Die doppelte Gaskanone eines jungen Sterns

Neugeborene Sterne schleudern Materie ins All und bilden dabei spektakuläre Nebel. Wie das funktioniert, enthüllen nun neue Beobachtungen mit dem Teleskopverbund ALMA.
Orionnebel im Infraroten

Die Orion-Region ist bekannt dafür, dass hier viele neue Sterne aus Staubwolken entstehen. Japanische Astronomen konnten nun mit dem Teleskopverbund ALMA in Chile einen dieser Newcomer detailliert beobachten und fanden Hinweise darauf, auf welch komplexe Weise die neuen Sonnen am Firmament Materie in den Raum blasen – das berichten sie im »Astrophysical Journal«.

Das gesamte Sternbild Orion ist durchsetzt von nebelartigen Gebieten, die sich besonders gut auf Radio- und Infrarotaufnahmen zeigen. Dabei handelt es sich um Staub- und Molekülwolken mit Durchmessern von einigen Lichtjahren, in deren Innerem junge, massereiche Sterne entstehen. Ein Teil dieses Orion-Molekülwolkenkomplexes ist der berühmte Orionnebel Messier 42, aber auch die »Orion-Molekülwolke 3« (OMC-3) in einer Entfernung von rund 1300 Lichtjahren.

Sternbild Orion im Optischen und Infraroten | Auf dieser Infrarotaufnahme des Sternbilds Orion von WISE (rechts) erkennt man die Staub- und Sternentstehungsregionen (orange, gelb), die auf der optischen Aufnahme (links) verborgen sind.

Astronomen um die japanische Studentin Yuko Matsushita von der Kyushu-Universität in Japan nutzten das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) der Europäischen Südsternwarte ESO, um im Bereich der Infrarot- und Radiostrahlung einen genauen Blick auf den jungen Stern MMS 5/OMC-3 zu werfen. Sie wollten erkunden, wie von dem Objekt Gase ausströmen.

Genauer betrachtet bestehen nämlich dessen Materieflüsse aus zwei Teilen: Eine Komponente ist mit 50 bis 100 Kilometer pro Sekunde schnell unterwegs, weitet sich kaum auf und wird daher Jet genannt. Die andere Komponente, der deutlich breitere Gasausfluss, ist mit 10 bis 50 Kilometer pro Sekunde eher langsam. Astronomen können diese Geschwindigkeiten von Gasströmungen direkt mit dem Dopplereffekt messen. Während der Gasausfluss sich bis zu 14 000 Astronomische Einheiten nach außen erstreckt, reicht der schnelle Jet nur bis etwa 11 000 Astronomische Einheiten.

Von wo schießt der Stern?

Bislang war unklar, wo genau die Strömungen im Umfeld des jungen Sterns MMS 5 herkommen. Mit den hochauflösenden Teleskopen von ALMA gibt es nun neue Hinweise auf deren Ursprung. Die Gasausflüsse und Jets entstehen immer in sich drehenden Materiescheiben, in denen Material auf das Zentralobjekt stürzt. Sie können im Außenbereich der Scheibe abströmen, aber auch nah am Zentralobjekt. Die Ursache sind Zentrifugalkräfte, also die Rotation der Scheibe, die Material wegschleudert. Jedoch kommen auch Magnetfelder in Frage, die elektrisch geladene Teilchen der Strömung ablenken und beschleunigen können.

Die Richtungen dieser beiden Strömungen in MMS 5 stimmen nicht überein, sondern sind um zirka 17 Grad versetzt. Warum das so ist, war lange unklar. Häufig hat ein solches Phänomen seine Ursache darin, dass der rotierende Stern mitsamt Scheibe torkelt wie ein Kreisel, so dass nacheinander herauskatapultierte Gasströmungen ihre Richtung wie bei einem Rasensprenger verändern. Die ALMA-Messungen ergaben jedoch, dass der Jet und die langsame Gasströmung von MMS 5 erst seit 500 beziehungsweise 1300 Jahren aktiv sind. Das ist viel zu jung, als dass der Torkelmechanismus den Richtungsversatz erklären könnte. Deshalb favorisieren die Astronomen unterschiedliche Ausgangsmechanismen für beide Strömungen.

Junger Stern MMS 5, aufgenommen mit ALMA | Der junge Stern MMS 5 im Sternbild Orion befindet sich im Zentrum des Bildes, wo sich die bogenartigen Strukturen treffen. Das sind die beiden Strömungen, die vom Stern weglaufen. Die langsame Strömung (orange) entsteht an anderer Stelle als der schnelle Jet (blau).

In Frage kommen dabei zwei Szenarien: In der ersten Variante beginnen die Strömungen in unterschiedlichen Teilen der Materiescheibe um den jungen Stern. In der zweiten Variante existiert zunächst nur eine Jetströmung, die durch die Wechselwirkungen mit der Materie in der Umgebung abgebremst wird, so dass sich eine schnelle Jetkomponente mit einem langsameren Gasausfluss ausbildet.

ALMA und Computer lüften das Rätsel

Die neuen ALMA-Beobachtungen legen nahe, dass die beiden Ausflüsse – wie in der ersten Variante – tatsächlich in unterschiedlichen Teilen der Scheibe ihren Ursprung haben. Doch auch die zweite Variante lässt sich nicht vollständig ausschließen. Gut, dass sich die Vorgänge mit Computermodellen untersuchen lassen. Hierbei zeigte sich, dass sich die in der ersten Variante favorisierte Interpretation der ALMA-Beobachtung mit Computersimulationen deckt, die Masahiro Machida, Koautor der Publikation, durchführte. In den Simulationen beginnt ein breiter, langsamer Gasausfluss im Außenbereich der Materiescheibe, während an anderer Stelle, nämlich nah am Zentralstern, ein gebündelter, schneller Jet entsteht. Die beiden Strömungen werden offenbar an verschiedenen Orten durch unterschiedliche Mechanismen erzeugt. Die Astronomen werden nun noch andere junge Sterne beobachten, um weitere Belege für diese »zweifache Gaskanone« zu finden.

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