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News: Die Fettschalter-Diät

Ein ganzes biochemisches Netzwerk unterschiedlicher Reaktionen steuert in unserem Körper, ob wir schlank bleiben oder Wohlstandspölsterchen ansetzen. In diesem Reaktionsgeflecht hat nun ein Wissenschaftlerteam einen zentralen molekularen Schalter entdeckt - kann man damit Übergewicht einfach ausknipsen?
Fett, könnte man sagen, hat eindeutig ein Imageproblem. Schließlich assoziieren die meisten Menschen damit hauptsächlich etwas, das beim Kochen und Essen möglichst vermieden werden sollte – andernfalls sammelt es sich als unliebsames Polster an Körperstellen, die man im Freibad gerne muskulös und gestrafft präsentieren würde. Fettarme Ernährung wird aber auch aus schwerwiegenderen, medizinischen Gründen empfohlen, denn tatsächlich begünstigt Übergewicht eine Reihe von Krankheiten.

Dabei sind Fette oder Lipide generell sehr wichtige und unverzichtbare Grundpfeiler unseres Körpers: Beispielsweise bestehen die Hüllen aller unserer Zellen zu großen Teilen aus Lipiden. Auf die Bedeutung der Fette deutet auch der biochemische Aufwand hin, den der Organismus treibt, um ihren Auf-, Ab- und Einbau zu regulieren. Durch den daraus resultierenden Dschungel von einander beeinflussenden Reaktionsketten des körpereigenen Fettstoffwechsel bahnen sich Wissenschaftler seit einiger Zeit mühsam einen Weg – ohne allerdings bislang die Bedeutung aller Mechanismen wirklich detailliert zu verstehen.

Dabei verzeichnen sie durchaus einige Erfolge. Vor Jahren entdeckten Forscher um Jeffrey Friedman vom Howard Hughes Medical Institute der Rockefeller University das Hormon Leptin. Es sorgt für Gewichtsverluste des Körpers, indem es die Nahrungsaufnahme begrenzt und den durchschnittlichen Energieverbrauch gleichzeitig steigert – gespeichertes Fett wird vermehrt abgebaut. Mäuse, denen Leptin fehlt, sind übergewichtig und leiden unter einer massiv verfetteten Leber: Einem als Steatosis bezeichneten klinischen Zustand, der auch bei übergewichtigen Menschen, Diabetikern und in Folge regelmäßigen Alkohol- und anderem Drogenmissbrauchs auftritt. Als fettreduzierendes Medikament kann Leptin hier die medizinischen Probleme lindern.

Um zu klären, wie und wo Leptin eigentlich genau den Fettstoffwechsel beeinflusst, setzten Leptin-Entdecker Friedman und seine Kollegen sowie Wissenschaftler des Rogosin Institute nun modernste molekularbiologische Analysetechniken ein. Mit Hilfe eines Gen-Chips und einem speziell entwickelten Software-Filter durchforsteten sie etwa 6500 verschiede Maus-Gene auf möglich Wechselwirkungen mit Leptin. Am Ende enthüllten sie 36 Genprodukte, die durch Leptin gehemmt werden – besonders ins Auge fiel dabei das Enzym SCD-1.

Durch diesen Hinweis angespornt, kreuzten die Wissenschaftler nun Angehörige zweier genetisch veränderter Mäusestämme: Den einen fehlte das Enzym SCD-1, den anderen mangelte es am Hormon Leptin – mit den üblichen Auswirkungen problematischer Verfettung. Bei den Nachkommen der gekreuzten Stämme aber waren alle Symptome der Fettleibigkeit verschwunden.

Die Forscher schließen daraus, dass SCD-1 offenbar den Aufbau von Fett fördert – um Fett dagegen abzubauen, muss das Enzym von Leptin gehemmt werden. Diese Hemmung ist aber nicht länger notwendig, sobald das fettaufbauende SCD-1 ganz fehlt, wie in den herausgekreuzten Mäusenachkommen. Ein zusätzlicher Leptinmangel führt in diesem Fall also nicht mehr zu den fetthaltigen Folgen.

Warum also nicht ein Medikament entwickeln, welches den fettansetzenden Schalter SCD-1 einfach ausknipst? Nicht so hastig, warnen die Forscher: Schließlich litten die Mäusestämme, denen das SCD-1-Enzym fehlt, ebenfalls unter verschiedenen medizinischen Problemen von schweren Hornhautschädigungen bis zur Dermatitis.

SCD-1 ist notwendig, um zwei der wichtigsten ungesättigten Fettsäuren im Körper aufzubauen, wie James Ntambi und seine Kollegen von der University of Wisconsin herausfanden. Hemmt man SCD-1 aber, dann führt dies zu einer ganzen Lawine von Folgereaktionen, die zugleich tiefe Einblicke in das vielfältige Gewirr des Lipid-Stoffwechsels zu Tage bringen: Zunächst würden die Mengen von gesättigten Fettsäuren ansteigen, die SCD-1 im Normalfall als Ausgangsmaterial verbaut hätte. Hohe Konzentrationen dieser Fettsäuren hemmen ihrerseits zwei Enzyme, die eigentlich für die Produktion des wichtigen Moleküls Malonyl-CoA zuständig sind. Fehlt aber Malonyl-CoA, so sorgt dies wiederum für einen vermehrten Abbau von Fettsäuren in der Zelle – und letztlich zum Fettabbau im gesamten Körper.

Es könnte aber noch komplizierter sein, warnt Friedman: "Alle diese möglichen Stoffwechselwege, und natürlich alle Alternativen, müssen wir erst noch überprüfen". Friedman sieht im neuentdeckten Fettabbau-Schalter SCD-1 durchaus therapeutische Ansätze für zukünftige Eingriffe in gestörte Fettstoffwechselprozesse. Bis zum nebenwirkungsfreien Fettabbau auf Knopfdruck ist allerdings wohl noch ein weiter Weg – auf dem man sich zudem wohl leicht verlaufen kann.

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