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Astronomiegeschichte: Die Furcht vor dem Himmel

Vor genau 100 Jahren gelangte der Halleysche Komet in Erdnähe, und sein Schweif kam mit der Erde in Kontakt. Wegen der darin entdeckten giftigen Blausäure gerieten manche Zeitgenossen in Panik. Mit Augenzwinkern thematisierten Künstler diese Furcht vor himmlischen Ereignissen. Auch heutige Autoren und Filmemacher spielen gerne mit latenten Ängsten.
Furcht vor dem Himmel
Bis heute lösen die unvermittelt am Himmel auftauchenden Schweif­sterne Bedenken bei einem Teil der Bevölkerung aus. Früher galten Kometen als Zeichen erzürnter Gottheiten und kündeten scheinbar schreckliches Ungemach wie Seuchenzüge oder Kriege an. In der Neuzeit, als schon bekannt war, was Kometen sind, gab es dagegen schon konkretere Vorstellungen ihrer möglichen Gefahren. Die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags ist zwar sehr gering, aber dennoch nicht null und sorgte schon vor mehr als hundert Jahren für ernsthafte Bedenken (siehe Bild unten). Sollte dieser unwahrscheinliche Fall jemals eintreten, so wären die Folgen je nach Größe des Kometenkerns katastrophal und könnten globale Auswirkungen haben.

Erst im Jahr 1705 erkannte der britische Astronom Edmond Halley, dass ein bestimmter Komet offenbar alle 76 Jahre wiederkehrt und viele der schon über Jahrhunderte hinweg aufgezeichneten Erscheinungen auf ihn zurückzuführen sind. Er sagte die Wiederkehr dieses Kometen für das Jahr 1759 voraus, jedoch war es ihm nicht vergönnt, seinen Triumph zu erleben, denn er verstarb bereits 1741, also 18 Jahre zuvor. Zu Halleys Ehren wurde der Komet nach ihm benannt.

Der Halleysche Komet | Die Titelseite des Mitgliedsbands der Kosmos Gesellschaft der Naturfreunde von 1907 ziert ein Gemälde des Halleyschen Kometen über tropischer Landschaft.
Der Halleysche Komet war somit der erste, der als periodisch erkannt wurde. Zumindest ein Teil der Schweifsterne – die bis weit ins 16. Jahrhundert hinein als Erscheinungen innerhalb der Erdatmosphäre aufgefasst wurden – musste sich also auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen, was sie zu dauerhaften Mitgliedern unseres Sonnensys­tem machte.

Mit den Fortschritten in der Physik und Astronomie wuchs auch das Wissen um die Eigenschaften und chemische Zusammensetzung der Kometen. Letztere machte den Menschen Sorgen: Kurz vor der dichtesten Annäherung des Halleyschen Kometen an die Erde im Jahr 1910, hatten Astronomen mit der damals noch jungen Spektralanalyse erkannt, dass der Gasschweif Anteile von Blausäure enthielt. Genaugenommen waren sie auf das positiv geladene Cyanid-Radikal CN+ gestoßen. Und schlimmer noch: Die Bahnberechnungen sagten voraus, dass die Erde am 19. Mai 1910 sogar durch den Kometenschweif hindurchlaufen würde.

Drohte der Menschheit nun Vergiftung? Würde auf dem Land und in den Städten ein massenhafter Blausäuretod einsetzen, von dem man ja wußte, dass er zwar kurz, aber dafür äußerst schmerzhaft sein würde? Oder kam man mit bloßer Übelkeit und Schädelbrummen davon?

Dabei ließ sich leicht nachrechnen, dass in manchen hochgeschätzten Schnäp­sen eine um den Faktor 1019 höhere Blausäure-Konzentration vorlag als im Schweif von Halley. Dessen ungeachtet machten die Verkäufer von »Kometenpillen« zur Vergiftungsprophylaxe bombige Geschäf­te. Auch Gasmasken und andere »Schutzausrüs­tun­gen« fanden reißenden Absatz. Obwohl es durch­aus seriöse Berichterstattung und leicht verständliche populärwissenschaftliche Abhandlungen gab (siehe die beiden Bilder auf dieser Doppelseite), konnte sich die »Kometenpanik« erstaunlich weit ausbreiten. Als dann natürlich überhaupt nichts passierte, hatten andere das Lachen und gute Aufträge: die Karikaturisten.

Tilmann Althaus, Axel M. Quetz

Auch in unseren modernen Zeiten spielt die Furcht vor dem Himmel eine Rolle. Der Beitrag in Sterne und Weltraum 5/2010, S. 72-75, zeigt einige Werke der erwähnten Karikaturisten und schildert filmisch umgesetzte Bedrohungen aus dem All: www.astronomie-heute.de/1029149.

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