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News: Die Genetik der Heiler-Mäuse

Anfang des Jahres berichteten Wissenschaftler, sie hätten einen Mäusestamm gezüchtet, der über bemerkenswerte Fähigkeiten zur Wundheilung verfügt. Die Regeneration von Gewebe verläuft bei diesen Tieren nicht wie sonst bei Säugern üblich mit einer Vernarbung der verletzten Region, sondern eher wie bei Amphibien und anderen 'niederen' Wirbeltieren. Jetzt haben die Forscher die ersten Gene lokalisiert, die für diesen Prozeß verantwortlich sind.
Wenn Amphibien ein Gliedmaß verlieren, wächst ihnen ein neues nach. Säugetiere haben diese Fähigkeit nicht, ihr Heilungsprozeß sieht ganz anders aus. Die Evolution hat sie stattdessen mit einem Immunsystem ausgestattet, mit dem der Körper das Wachstum von Tumoren kontrolliert – ein lebenswichtiger Umstand für langlebige Organismen. Als Folge können allerdings keine größeren Bereiche des Körpers einfach nachgebildet werden.

Die Heiler-Mäuse aber haben einen Defekt in ihrem Immunsystem. Als Ellen Heber-Katz und ihre Kollegen vom Wistar Institute in Philadelphia zur Markierung kleine Löcher in die Ohren der Tiere knipsten, stellten sie wenig später fest, daß die Wunden bald wieder verheilt waren, ohne Spuren zu hinterlassen. Es waren weder Narben noch sonstige Zeichen einer abgeheilten Verletzung zu sehen. Die Ohren waren vollständig mit Knorpel, Haut und Fell ausgestattet. In späteren Tests wuchsen auch gekürzte Schwänze samt Knochen nach. Ob ganze Gliedmaßen ersetzt werden können, haben die Wissenschaftler nicht überprüft.

Natürlich wollten die Forscher wissen, was am Immunsystem der Heiler-Mäuse anders als bei ihren Verwandten war. Die Genetik dieses als MRL/MpJ bezeichneten Stammes könnte den Schlüssel zu einer verbesserten Wundheilung bei Menschen in sich bergen.

Kreuzungen der Heiler-Mäuse mit normalen Labormäusen erbrachte eine Reihe von Nachkommen mit unterschiedlichen Heilungseigenschaften. Aus der Anzahl der unterschiedlichen Gruppen ließ sich errechnen, daß mindestens vier Gene an der Kontrolle der Wundheilung beteiligt sind. Die Forscher suchten nach Marker-Genen, die mit dem einen oder anderen dieser Heiler-Gene eng gekoppelt vererbt werden und deren Anwesenheit leicht nachzuweisen ist. Auf diese Weise erlangten sie eine Vorstellung davon, wo welches Heiler-Gen etwa zu finden ist (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 29. September 1998, Abstract).

Statt der erwarteten vier fanden sie sechs potentielle Bereiche auf den Chromosomen 8, 12, 15 und zweimal auf 13 sowie eventuell auf 7. Sie alle wurden mit einer Ausnahme von der Heiler-Maus auf die Nachkommen weitergegeben. Das Gen des gewöhnlichen Laborstamms wird vermutlich normalerweise in seiner Auswirkung von anderen Genen unterdrückt.

Die genauen Orte und Wirkungsmechanismen der Heiler-Gene sind noch unbekannt. Interessanterweise steht aber bereits fest, daß keines von ihnen für den Immundefekt der Heiler-Mäuse verantwortlich ist. Deren beschleunigte Wundheilung resultiert also nicht einfach aus einem schwächeren Immunsystem.

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