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Ausstellung: Die Götter liebten es bunt

Ein Löwe mit grellblauer Mähne, ein Bogenschütze in aufwändig gemusterter Kleidung, eine junge Frau, die nur die kunstvolle Bemalung ihres Gewandes als Göttin ausweist. Die Ausstellung "Bunte Götter - Die farbenfrohe Welt der Alten Griechen" im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt die ganze Farbenpracht antiker Kunst und bricht so rigoros mit gängigen Sehgewohnheiten.
Bunte Götter
Den Olymp erklimmt man über eine geschwungene steinerne Treppe mit rotem Teppich. Im ersten Stock steht der Eingang zum Reich der griechischen Götter weit offen. Hier, umringt von seinen Kollegen, wartet Zeus. Er hat sich zur Feier des Tages eine weiß gepunktete Tunika übergeworfen. Sie leuchtet in hellem Orange. Das satte Grün des langen Unterkleides fällt kontrastreich über seine Füße. Wahrlich, der Herrscher der antiken Götterwelt liebt die kräftigen Farben.

Panzertorso | Der so genannte Panzertorso entstand um 470 v. Chr.: Um den Panzer vom restlichen Körper abzugrenzen, schlug der Bildhauer nur im unteren Bereich eine Kante in die Figur. Den Rest sollte der Skulpturenmaler erledigen. Heute steht das Original im Akropolismuseum in Athen.
Wer denkt, der Marmor antiker Bildhauer sei seinerzeit in reinem Weiß auf den Vorplätzen und Emporen der Polis erstrahlt, der irrt. Die Skulpturen und Reliefs der alten Meister waren bunt. Quietschbunt. Das zeigt die Ausstellung "Bunte Götter", die am 4. April im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ihre Pforten öffnete. Bis zum 1. Juli werden hier über siebzig Skulpturen, Reliefs und Rekonstruktionen gezeigt, die bezeugen, dass die alten Meister durchaus einen Sinn für Farbe hatten.

Die bunte Welt der Dichter und Denker

Schon am Eingang der Ausstellung zeugt eine lebensgroße Grabstele von der erschlagenden Farbgewaltigkeit antiker Plastik. Vor signalrotem Hintergrund steht dort Aristion, der Krieger. Seine Rüstung leuchtet in hellem Gelb, feine Muster ziehen sich als Borten um Hüfte und Brust. Die Schienbeinschützer und der Helm des Soldaten sind dunkelblau. Das weiße Unterkleid unterscheidet sich markant von seinem braungebrannten Leib.

Rechts von ihm starrt ein kleiner sandgelber Löwe in den Raum. Sein Kopf ist von einer blauen Mähne bedeckt, um die Augen und die Schnauze ziehen sich rote Linien und Punkte. Er wirkt, als sei er einem asiatischen Manga entsprungen. In Wahrheit ist er 2550 Jahre alt. Im griechischen Loutraki bewachte er einst ein Grab. "In der Antike herrschte eine wahre Konkurrenz der Bilder", erklärt Ausstellungsleiter Frank Hildebrandt. "Die Skulpturen mussten sich voneinander abgrenzen und auffallen. Deshalb waren starke Kontraste unumgänglich."

Kriegerkopf aus dem Aphaia-Tempel | Diese Rekonstruktion zeigt den Kopf eines Kriegers aus dem 1811 entdeckten Aphaia-Tempel in Ägina.
Die Wandelstätten der Dichter und Denker – ein Sammelsurium von schrillen Farben und Komplementärkontrasten? Das ist für die Besucher nur schwer nachvollziehbar. Immer wieder raunen sie sich ihr Erstaunen über die kräftige Kolorierung der Skulpturen zu. "Man ist eben doch die weißen Statuen gewohnt", sagt eine der Besucherinnen. Dabei wurde die Farbigkeit der alten Kunstwerke schon Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt. Bei einer Grabung auf Ägina, einer Insel vor Athen, entdeckten Forscher schon 1811 einen Tempel, dessen Figuren Reste eines farbigen Anstriches aufwiesen. Bis dahin hatten nur vage Beschreibungen antiker Schriftsteller auf die Buntheit der griechischen Kunstwelt hingedeutet.

Erforschung der Farbigkeit

Der Fund des Aphaia-Tempels löste damals ein wahres Farbigkeitsfieber aus. Abgüsse von Skulpturen wurden bunt getüncht, Neubauten im antiken Stil wie die Münchner Glyptothek in kräftige Farben getaucht. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr antike Funde mit Farbresten zutage. Dennoch verebbte das Interesse an der bunten Welt der Antike nach dem ersten Weltkrieg. Die Ausstellungen in den Museen zeigten wieder vermehrt geweißte Statuen – ganz im Sinne der Renaissance, wo man die Funde der alten Griechen mit Essigwasser und Stahlschwämmen "sauber" schrubbte, weil das reine Weiß den Geschmack der Zeit besser traf.

UV-Fluoreszenz des Kriegerkopfs | Bei ultravioletter Strahlung werfen die Überreste der verblichenen Farben die Helligkeit unterschiedlich stark zurück. Mit speziellen Filtern erhält man so Fotos, welche die Farbschatten früherer Bemalung sichtbar machen.
Erst in den 1960er Jahren fasste die Farbigkeitsforschung wieder Fuß. Das Doerner-Institut der Bayrischen Staatsgemäldesammlung wandte damals die für die Untersuchung von Gemälden bereits übliche Methode der UV-Fluoreszenz erstmals auch bei einer antiken Grabstele an. Farbreste auf dem Stein werfen das Licht hierbei in unterschiedlichen Schattierungen zurück. Auf Fotos, die mit speziellen Filtern versehen wurden, kann man dadurch verschiedene Graustufen erkennen. Diese so genannten Farbschatten lassen erahnen, welche Muster und Ornamente einst die Oberfläche verzierten. Manchmal sind solche Farbschatten auch noch mit bloßem Auge zu erkennen.

Auch der Kopf des Caligula aus der Ny-Carlsberg-Glyptothek in Kopenhagen, der nun bis Anfang Juli in Hamburg ausgestellt sein wird, weist noch deutliche Spuren früherer Bemalung auf: Das linke Auge ist von feinen schwarzen Wimpern umrandet, an seinem linken Ohr verlaufen noch die Reste seiner aufgemalten Haarpracht.

Caligula | Schwarze Farbe gewannen die Skulpturenmaler aus der Asche verkohlter Knochen. Hier verhalf die Farbe dem Blick des römischen Kaisers Caligula zu mehr Ausdruck.
Welche Farben genau die alten Griechen bei ihrer Farbschlacht verwandten, ermittelt man inzwischen mit mikroskopischen und chemischen Analysen. Besonders beliebt waren demnach Anstriche auf mineralischer Basis: Leuchtendes Grün ergab fein zerstoßener Malachit, dunkles Blau der kupferhaltige Sand des Sinai oder Azurit. Zinnober oder roter Ocker zauberten frisches Blut in die Kampfszenen mutiger Krieger und Orangeocker die gepunktete Toga des Zeus auf der Reliefplatte des Schatzhauses der Insel Siphnos aus dem Jahr 525 v. Chr.

Mit überkommenen Sehgewohnheiten brechen

"Die Vorgehensweise heutiger Forschung zu zeigen, war uns sehr wichtig", betont Ausstellungsleiter Hildebrandt. "Denn nur so schaffen wir es, die Besucher davon zu überzeugen, dass die Skulpturen damals wirklich so bunt waren, wie wir sie heute sehen." Der Historiker weiß wovon er spricht. Auch er selbst tat sich anfangs mit den kräftigen Farben der alten Griechen schwer: "Sehgewohnheiten sind eben nur schwer zu überwinden." Die Ausstellung soll jedoch einen Anreiz geben, sich mit überkommen Vorstellungen auseinander zu setzten. Frühere Stationen der "Bunten Götter" in München, Istanbul und Athen zogen bereits viel Aufmerksamkeit auf sich. Die Hamburger Ausstellung kann jedoch damit auftrumpfen, alle inzwischen fertiggestellten farbigen Rekonstruktionen in ihren Hallen zu vereinen.

Paris | Während die antiken Skulpturenmaler bei Tieren nicht unbedingt auf naturnahe Farben achteten, halten Experten die feinen Muster und die Farbgestaltung auf der Kleidung menschlicher Skulpturen – wie hier beim trojanischen Königssohn Paris – für weit gehend authentisch.
Eine dieser Nachbildungen ist der Bogenschütze Paris, der gerade einen Pfeil zum Abschuss spannt. Die hockende Gestalt ist ganz in gelb gehüllt. Ärmel und Hosen sind mit einem aufwändigen Rautenmuster bemalt, die restliche Kleidung mit Löwen und Ornamenten verziert. Über den angefügten und eingefärbten Bleilocken thront ein farblich passender weicher Hut. Das Original war einst Teil einer Schlacht zwischen Griechen und Trojanern, die auf dem Giebel des 1811 entdeckten Aphaia-Tempels stattfand. Seine auffällige Kleidung rekonstruierte ein Team um den Archäologen Vinzenz Brinkmann von der Staatlichen Antikensammlung und Glyptothek in München, das sich bei der Erforschung der antiken Farbigkeit international einen Namen gemacht hat.

Die zentrale Position des Bogenschützen auf der Frontseite eines Tempels zu Ehren der Göttin Athene machte es den Forschern leicht, ihn als Sohn des trojanischen Königs Priamus auszuweisen. Bei einer anderen Figur war die herausragende Position nicht so leicht zu erraten: Die so genannte Peploskore ist die Skulptur einer jungen Frau, die etwa 480 v. Chr. von den Athenern zum Schutz vor den angreifenden Persern mit zahlreichen anderen Frauenfiguren unter die Erde gebracht wurde.

Weil sich die Statuen sehr ähnelten, ging die Forschung lange davon aus, dass es sich bei der Figur um die Nachbildung junger Bürgerinnen handelte, die als Weihgaben aufgestellt worden waren. Doch die Farbuntersuchungen brachten Erstaunliches zu Tage: Das Gewandt der Peploskore war über und über mit feinen Zeichnungen bemalt. Rosetten und Arrangements wilder Tiere zierten ihr Kleid. Eine farbige Rekonstruktion schließlich brachte Gewissheit: Die Figur stellt wahrscheinlich Athene oder Artemis dar. Erst die Farbe hat die Bürgerin in den Rang einer Göttin erhoben.

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