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Underperformer: Nicht gut genug, um dazuzugehören?

Aus einer Gruppe ausgeschlossen zu werden, ist schmerzhaft. Doch wenn die eigene Leistung nicht stimmt, nehmen viele lieber freiwillig Abschied: unglücklich, aber erleichtert.
Drei Jungs in Fußballtrikots sitzen auf der Ersatzbank und gucken dem Spiel zu.

Gemeinsam in einer Gruppe auf ein Ziel hinzuarbeiten, stärkt das Selbstwertgefühl und das Sinnerleben. Doch wie ergeht es denen, die dem Erfolg ihres Teams im Weg stehen? Das haben Forschende von den Universitäten in Leiden und Tilburg in den Niederlanden untersucht. Wie sie im »Journal of Experimental Social Psychology« schildern, verlassen einige der schwächsten Mitglieder die Gruppe auf eigenen Wunsch – und sind darüber zugleich unglücklich und erleichtert.

Der Psychologe Frank Doolaard und seine Kollegen hatten mehr als 500 Probandinnen und Probanden zu einer Versuchsreihe eingeladen: Sie sollten wiederholt einschätzen, wie viele kleine Kreise auf einem Bildschirm zu sehen waren. Je nachdem, wie gut das gelang, bekam ihr Team dafür zwischen 0 und 100 Punkte gutgeschrieben. Im Mittel mussten die Teams mindestens 70 Punkte erreichen, um sich für eine Lotterie zu qualifizieren, bei der jedes Teammitglied 50 Euro gewinnen konnte. Die Punktezahl wurde allerdings manipuliert: Die eine Hälfte der Versuchspersonen ließ man glauben, dass sie wie ihre Mitstreiter im Mittel auf mehr als 70 Punkte kamen. Den anderen wurde suggeriert, sie wären wesentlich schlechter – so dass sie Schuld hätten, wenn ihre Gruppe das Ziel verfehlte.

Im ersten Experiment durften scheinbar alle mitbestimmen, wer aus der Gruppe weiter mitmachen durfte. Egal, ob die eigene Leistung gut oder schlecht war: Wer angeblich von den anderen aus dem Team geworfen wurde, fühlte sich mies und sein Selbstwertgefühl sank. Dennoch waren die vermeintlichen »Underperformer« erleichtert; sie wollten selbst nicht mehr so gerne weiter mitmachen.

Ein selbst gewählter Abschied ist weniger schmerzhaft

Würden die Underperformer auch freiwillig ausscheiden? In einem zweiten Experiment sollten die Versuchspersonen das nach der ersten Runde selbst entscheiden. Waren sie (angeblich) ebenso gut wie ihre Teammitglieder, entschied sich kein Einziger dafür. Aber unter denen, die sich für deutlich schlechter hielten, wollten 43 Prozent nicht weitermachen. Sie fühlten sich gestresst und der Gruppe weniger zugehörig und waren nach dem Ausscheiden erleichtert. Der selbst gewählte Abschied war für sie überdies weniger schmerzhaft, als von den anderen ausgeschlossen zu werden.

Lag das daran, dass sie selbst entscheiden konnten? Das prüften die Forschenden in einer zusätzlichen Runde. Sie ließen in der Hälfte der Fälle angeblich den Computer über die weitere Teilnahme entscheiden, wobei sie dafür sorgten, dass die Entscheidung ganz »zufällig« so ausfiel wie von den Versuchspersonen gewünscht. Wer vom Computer rausgeworfen wurde, war nicht weniger erleichtert als nach einem selbst gewählten Abschied. Es ging also nicht darum, die Entscheidung selbst zu treffen.

Fazit: Die schlechteste Leistung zu bringen und damit dem eigenen Team zu schaden, ist selbst dann belastend, wenn es sich wie in diesem Experiment um unbekannte Personen handelt. Fast jeder Zweite wollte unter diesen Umständen seinen Platz im Team aufgeben. Dazu zählten vor allem jene, die besonders unter ihrer vermeintlich schwachen Leistung litten. Für die anderen allerdings sei der Verbleib im Team die bessere Wahl, schreiben die Forschenden. »Beide Wege können ihre Vorteile haben.« Am besten für das Wohlbefinden: dabeibleiben, weil die anderen es auch wollen.

Auf das wahre Leben lassen sich die Laborbefunde nicht so einfach übertragen: Die Mitspieler waren Unbekannte und die Aufgaben eng begrenzt. Unter Menschen, die einander freundschaftlich verbunden sind, geht es um wesentlich mehr als nur die Leistung und die Chance auf 50 Euro. Die Entscheidung könnte dann noch viel schwerer fallen: wenn zur Wahl steht, ein über Jahre gewachsenes Team zu verlassen – oder ihm ein Klotz am Bein zu sein.

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