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Symbiose: Die kleinen Helfer der Kannenpflanze

Nepenthes bicalcarata

Normalerweise stellen Kannenpflanzen eine tödliche Falle für Ameisen dar: Sie rutschen auf dem glatten Rand aus und fallen in die Verdauungsflüssigkeit, wo sie rasch aufgezehrt werden. Ameisen der Art Camponotus schmitzi leben jedoch in einer engen Symbiose mit der auf Borneo vorkommenden Kannenpflanze Nepenthes bicalcarata. Die Insekten bauen ihre Kolonien in ausgehöhlten Verdickungen der Ranke und sind völlig auf ihre Wirtspflanze angewiesen: Der Nektar in den reißzahnähnlichen Blattanhängseln am Kannendeckel sowie die in der Verdauungsflüssigkeit ertrunkenen Beutetiere dienen ihnen als Nahrung. Umgekehrt verteidigen die Ameisen als eine Art Leibgarde die Pflanze vor Fressfeinden und säubern die Fallen von den Überresten ertrunkener Insekten. Jedoch war bislang fraglich, ob dies den Aufwand für das Beherbergen – etwa die erhöhte Nektarproduktion – aufwiegen kann.

Forschern um Mathias Scharmann vom Institut für Integrative Biologie an der ETH Zürich gelang nun der Nachweis, dass die Ameisen die Pflanze vor Nährstoffdieben schützen: Sie vertilgen Stechmücken- und Fliegenlarven, die in der Kannenflüssigkeit heranwachsen und von ertrunkenen Beutetieren sowie gelösten Nährstoffen leben. Da diese als Erwachsene die Kannen verlassen, verliert die Pflanze netto an Stickstoff – einem essenziellen Nährstoff, an dem es im Regenwald Borneos mangelt.

Das Forscherteam beobachtete, wie die Ameisen sogar in die Verdauungsflüssigkeit tauchten, um dort Moskitolarven zu jagen. "Es war ein Moskito-Massaker!", beschreibt Scharmann seine Beobachtungen. Die erbeuteten Insekten wurden anschließend aus der Verdauungsflüssigkeit gezogen und aus der Kanne befördert. Der Stickstoff bleibt der Pflanze in Form von Abfällen der Ameisenkolonie jedoch erhalten – das konnten die Forscher mittels stabiler Isotopenanalyse zeigen. Demzufolge stammen 42 Prozent des aufgenommenen Stickstoffs von den Exkrementen und toten Körpern der Ameisen – eine effektive Düngung.

Es handelt sich hier den Forschern zufolge um eine neue Art von Symbiose, bei der Räuber den Schaden von Nährstoffdieben begrenzen. N. bicalcarata weist einige Anpassungen auf, die ihren kleinen Helfern den Aufenthalt "erleichtern": So ist die Verdauungsflüssigkeit deutlich weniger sauer und viskos als bei anderen Kannenpflanzen, und das Innere der Kanne ist nicht – wie sonst üblich – mit einer Wachsschicht überzogen, die es Insekten unmöglich macht, aus der Kanne hochzukriechen. Die Symbiose mit den Ameisen wiegt damit die geringere Effektivität der Fallen wieder auf. Auch von anderen Kannenpflanzen sind ungewöhnliche Nahrungsstrategien bekannt: So zeigt Nepenthes rajah eine Vorliebe für den Kot von Spitzhörnchen.

© Scharmann et al. / Plos One
Dramatische Jagd in der Verdauungsflüssigkeit
Ameisen der Art C. schmitzi attackieren eine Fliegenlarve, die sie an Größe deutlich übertrifft. Zu sehen sind auch Kaulquappen – die Kannen stellen eine reichhaltige ökologische Nische dar.

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