Direkt zum Inhalt

News: Die kleinsten Stromkreise(l) der Welt

Elektronen, die im Kreise laufen - zum Beispiel in einem Drahtring -, werden von einem Magnetfeld beeinflusst, das die Bahnebene durchdringt. Nach diesem altbekannten Prinzip funktionieren Spulen und Elektromotoren. Allerdings bewegen sich die Elektronen nur dann, wenn das Magnetfeld sich ändert; erst dadurch dreht sich der Motor. Aber was geschieht, wenn der Kreis sehr eng wird? Deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern ist es gelungen, die bisher kleinsten Ringe herzustellen, in denen sich Elektronen bewegen können. Sie stellten fest, dass die Teilchen darin selbst in einem statischen Magnetfeld ihre Bahnen ziehen. Auf Grund der geringen Ausmaße und der extremen Reinheit kommt es zu keinen unerwünschten Nebeneffekten wie Elektronenstreuung.
Mit nur 50 Nanometern Durchmesser verhalten sich diese Ringe wie reine Quantensysteme, in denen nur ein oder zwei Elektronen vorkommen. So war es den Forschern möglich, das Verhalten der Elektronen mit neuen, kontrollierten Mitteln zu beobachten (Physical Review Letters vom 6. März 2000).

Vorläufer dieser Systeme sind die Quantenpunkte, mikroskopisch kleine, sorgfältig zugeschnittene Regionen innerhalb der Oberfläche eines Halbleiters. Es ist den Wissenschaftlern gelungen, die Anzahl von Elektronen in einem Quantenpunkt sehr präzise zu bestimmen und verschiedene Quanteneffekte nachzuvollziehen.

Man kann zahlreiche Quantenpunkte auf einmal produzieren, indem man zwei atomare Schichten von Indiumarsenid (InAs) auf eine Galliumarsenid-(GaAs-)Oberfläche aufbringt. Durch die Oberflächenspannung bilden sich kleine Perlen von InAs, ähnlich wie Wassertropfen auf einem gut gewachsten Auto. Dabei entstehen um die 1011 selbstordnende (self-assembling) Quantenpunkte.

Axel Lorke und seine Kollegen von der Ludwig-Maximilians-Universität in München sowie Mitarbeiter der University of California in Santa Barbara brachten es fertig, aus solchen Strukturen Ringe zu machen, indem sie die Quantenpunkte mit einer einen Nanometer dicken Schicht von GaAs abdeckten und eine Minute warteten, bis die Oberflächenspannung und andere Kräfte die Punkte umgeordnet hatten. Nach den Worten von Pierre Petroff, dem Leiter der amerikanischen Gruppe, sah jeder Punkt hinterher "ein wenig wie ein Atoll" aus.

Schon die Herstellung dieser kleinen "ringförmigen Inseln" ist ein bedeutender Schritt, so Lorke. Es gab nämlich große Befürchtungen, die Gestalt der sich selbst ordnenden Quantenpunkte sei gar nicht präzise genug zu steuern. Darüber hinaus konnten Lorke und seine Kollegen die reine Quantennatur der Elektronen innerhalb der kleinen Ringe mit zwei Arten von Messungen demonstrieren.

Zum einen packten sie die Ringe zwischen das Äquivalent zweier Metallplatten und legten an diesen Kondensator eine zunehmende elektrische Spannung an. Durch das elektrische Feld gingen Leitungselektronen von einer der beiden Platten auf die Ringe über. Die Spannung, bei der jeder Ring im Durchschnitt ein Elektron empfangen hatte, entsprach dem energetischen Grundzustand des Elektrons. Sie stieg gleichmäßig an, wenn die Stärke des die Ringe durchdringenden Magnetfeldes erhöht wurde. Wenn aber die Feldstärke genau ein Quantum des magnetischen Flusses (entsprechend etwa 8 Tesla) erreichte, zeigte ein plötzlicher Wechsel in der Energie des Grundzustandes das Auftreten neuer Eigenschaften an. In diesem Fall hatte das Elektron ein Quantum an Bahndrehimpuls aufgenommen und bewegte sich somit vorzugsweise in eine spezifische Richtung, statt – wie bisher – mit gleicher Wahrscheinlichkeit im Uhrzeigersinn oder entgegengesetzt. In der zweiten Messung bestätigten die Wissenschaftler, dass die Ringe diese Quantenzustände angenommen hatten. Die Ringe absorbierten nämlich infrarote Photonen mit der richtigen Energie für einen Übergang zwischen den vorhergesagten Quantenzuständen.

Die winzigen Ringe erlaubten es ein oder zwei Elektronen, in kohärenten Quantenzuständen zu zirkulieren, ohne Effekte wie zum Beispiel Elektronenstreuung, die bei größeren Ringen auftreten, meint Sergio Ulloa von der Ohio University in Athens. Bei den winzigen Größenordnungen kommen nämlich Defekte im Kristallgitter des Ringmaterials nur ausnahmsweise vor. Elektronenstreuung durch die thermische Bewegung der Ringatome verhindern die Forscher durch Kühlung bis knapp über den absoluten Nullpunkt. Ulloa ist davon beeindruckt, dass die beschriebenen Strukturen ein "sehr sauberes" System für die Beobachtung vieler Phänomene sein könnten, für die bisher experimentelle Modelle fehlten.

Es wäre denkbar, solche Ringe als Datenspeicher für einzelne Bits zunutzen: Eine der beiden Umlaufrichtungen würde einer Null entsprechen, die andere einer Eins. Aber das sei Zukunftsmusik.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.