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News: Die Landschaft hat ein langes Gedächtnis

Der intensive Düngemitteleinsatz der letzten Jahre in landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebieten spiegelt sich in den Stickstoffgehalten der Gewässer wieder. Neuen Untersuchungen zufolge führen Elbe und Oder aber bisher kaum ein Zehntel des Stickstoffs, der der heutigen Bewirtschaftung entspricht. Ursache dafür ist das große Rückhaltevermögen in der Landschaft. Doch damit greifen auch Maßnahmen zur Reduzierung der Einträge entsprechend langsamer.
Die Stickstoffkonzentration der Fließgewässer im Nordosten Deutschlands sowie im südbaltischen Tiefland spiegelt noch längst nicht die Folgen der heutigen intensiven Landwirtschaft wider. Anderenfalls würden Elbe und Oder 10- bis 15-mal höhere Stickstoffmengen transportieren.

Hydrologen des Müncheberger Zentrums für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) erforschen in Zusammenarbeit mit polnischen Wissenschaftlern aus Falenty bei Warschau und aus Wroclaw (Breslau) die Stickstoffeinträge im Einzugsgebiet der Oder. Der aktuelle jährliche Stickstoffaustrag in den Flüssen entspricht derzeit nur vier bis zehn Kilogramm pro Jahr und Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Dem gegenüber beträgt der aktuelle jährliche Stickstoffüberschuss aus denselben Flächen 60 bis 80 Kilogramm pro Hektar.

Hauptursache für diese Differenz ist das Rückhaltevermögen der Landschaft für den gelösten und unterirdisch, mit dem Boden- und Grundwasser transportierten Nitrat-Stickstoff. Verantwortlich dafür sind die Jahrzehnte bis Jahrhunderte währenden Transportverzögerungen auf oft kilometerlangen unterirdischen Fließpfaden, die Vermischung des jüngeren, nitrathaltigen Bodenwassers mit dem älteren, sehr sauberen Grundwasser und eine allmähliche mikrobielle Umwandlung des Nitrats in gasförmigen Stickstoff.

Die unterirdischen Zuflüsse zu den Fließgewässern, bei denen dieses Retentionsvermögen wirkt, haben im Tiefland einen Anteil von mehr als 90 Prozent am Gesamtabfluss. Das beschriebene "lange Gedächtnis der Landschaft" verleiht so älteren, lang anhaltenden Zuständen gegenüber aktuellen, kurzfristigen Ereignissen ein höheres Gewicht. Es führt insgesamt zu stark verzögerten und gedämpften Reaktionen der Beschaffenheit der Fließgewässer auf heutige Veränderungen der landwirtschaftlichen Stickstoffbilanz. Würden Reduzierungen der Stickstoffauswaschung erst nach Ablauf der "Gnadenfrist" der Retention vorgenommen, verginge eine entsprechend lange Zeit, bis diese für die Gewässerqualität wieder positiv greifen würden. Denn das Gedächtnis der Landschaft vergisst nichts.

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