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News: Die Langsamkeit der Entdeckung

Um krankmachende Prionen zu stoppen, könnte man sie durch einen undurchdringlichen Antikörperwall vom Rest des Körpers abschirmen. Neue Wallbausteine aus Mäusen und ihr scheinbar erfolgreicher Einbau machen nun Hoffnung.
Prionen
Es ist schon einige Zeit her, dass uns überdimensionale Schlagzeilen regelmäßig dabei halfen, Wörter wie "bovine spongiforme Enzephalopathie" (BSE) und "neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit" (vCJK) zu buchstabieren. Dabei beginnt erst jetzt die Forschung an Prionen – den Erregern des Rinderwahnsinns BSE und der menschlichen vCJK – ernsthaft Früchte abzuwerfen.

Ansatzpunkte für mögliche neuentwickelte Therapien sind dabei die missgebildeten Versionen der körpereigenen PrPC-Proteine in erkrankten Tieren oder Menschen. Faltet sich die Aminosäurekette dieses Proteins fehlerhaft, so entsteht die krankheitsauslösende Prionenform PrPSc, unter deren Einfluss dann auch alle übrigen körpereigenen Prionen, wie Dominosteine, nach und nach zu PrPSc umgeformt werden. Diese lagern sich dann in Nervengeweben zu faserartigen Strukturen zusammen – am Ende dieses Prozesses verwandelt sich das Gehirn in eine schwammartige Masse.

Um den Ausbruch der Krankheit zu verhindern, sollte man also schlicht das PrPSc-vermittelte Umfalten der körpereigenen PrPC-Prionen verhindern – den Ausgangspunkt der fatalen Faserbildung im Nervengewebe. Das erwies sich allerdings als nicht ganz einfach. Zwar hatte schon das Forscherteam um Stanley Prusiner, der seiner Pionier-Beschreibung der Prionen den Nobelpreis verdankt, enthüllen können, was die fatale Prionen-Fehlfaltung unterbinden kann: Antikörper, die spezifisch an PrPSc binden und seine verhängnisvolle Kontaktaufnahme mit den körpereigenen Prionen verhindern.

Bald darauf ließen sich tatsächlich Mäuse durch Antikörper vor einer Infektion mit Prionen schützen. Die Tiere mussten allerdings gentechnisch verändert werden, um ihnen die Eigenproduktion des hilfreichen Anti-Prionen-Antikörpers beizubringen – ein Eingriff, der sich bei menschlichen Patienten natürlich verbietet.

Simon Hawke vom Imperial College London und seine Kollegen kombinierten die bisherigen Erkenntnisse nun und unternahmen die nächsten Schritte. Die Wissenschaftler produzierten zunächst monoklonale Maus-Antikörper, die spezifisch die krankhaften PrPSc-Prionen erkennen, binden und somit entschärfen konnten – und spritzen diese Antikörper dann verschiedenen, mit PrPSc infizierten Versuchstieren.

Während infizierte und unbehandelte Mäuse wie üblich bald an den prionenbedingten neurodegenerativen Ausfällen zu leiden begannen und schließlich starben, überlebten ihre in regelmäßigen Abständen mit den therapeutischen Antikörper-Dosen geimpften Maus-Kollegen mehr als 300 Tage länger. Im Gewebe der geschützten Tiere waren auch dann noch – selbst mit den sensibelsten derzeit verfügbaren Analysemethoden – keinerlei Prionen nachweisbar.

Ein Erfolg – die Wissenschaftler warnen allerdings vor neuen und voreiligen überdimensionalen Schlagzeilen. Beispielsweise scheint die Antikörper-Impfung der Mäuse einen allein vorbeugenden Effekt zu haben: Infizierten Tieren, die bereits erste Krankheitssymptome gezeigt hatten, als sie erstmalig geimpft wurden, konnten die monoklonalen Antikörper in keinster Weise helfen.

Auch für präventive klinische Studien an Menschen sei es viel zu früh, betonen die Forscher. Zwar würde die proteinbindende Erkennungsregion der Maus-Antikörper auch die menschliche Form des PrPSc-Prions binden – zugleich wäre im menschlichen Patienten aber der mäusetypische, also organismusfremde Rest des Antikörpers ständigen Angriffen der Immunabwehr ausgesetzt. Bis die Antikörper "humanisiert" sind – die funktionelle Prionen-Erkennungsregion des Maus-Antikörpers also auf einen menschlichen Antikörper-Proteinunterbau montiert ist – könne die Behandlung von Menschen "noch nicht einmal angedacht werden", so Hawke.

Ungeklärt bleibt zudem, welche Rolle eigentlich die gesunde Form des Prions, die in Maus und Mensch ganz natürlicherweise vorkommt, eigentlich hat. Die natürlichen PrPC-Proteine werden aber ebenso wie die schädlichen PrPSc-Prionen vom Antikörper ausgeschaltet – nicht ganz ausgeschlossen, dass mit einer radikalen Prionen-Antikörper-Kur der Bock zum Gärtner gemacht wird und unvorhergesehene Prionmangel-Nebeneffekte auftreten. Immerhin: Bei den Versuchstieren wurden diese nicht beobachtet. Trotzdem bleibt der Wissenschaftsgemeinschaft noch einiges an Arbeit. Schnelle Erfolgsmeldungen wären dabei schön – schrittweise Teilerfolge bleiben aber wohl wahrscheinlicher.

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