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News: Die letzte Ruhestätte von Ramses II.

Als vor gut hundert Jahren die letzte Ruhestätte von Ramses II. entdeckt wurde, steckte die Ägyptologie noch in ihren Kinderschuhen. Das Grab, in dem insgesamt 34 Pharaonen und hohe Würdenträger bestattet worden waren, wurde innerhalb von zwei Tagen ausgeräumt und nur höchst ungenau kartographiert. In diesem Winter ist es erneut geöffnet worden. Der Ägyptologe Prof. Erhart Graefe von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat sich zusammen mit russischen Kollegen darangemacht, das Grabinnere genauestens zu kartographieren und etwaige weitere Funde zu katalogisieren.
Für die Ewigkeit wurden die Herrscher über ein Weltreich in die Felskammern im Wüstengebirge gebettet, doch diese "Ewigkeit" dauerte für die meisten von ihnen nur wenige hundert Jahre. Schon während der Herrschaft der Pharaonen der 21. Dynastie um 1000 vor Christus waren die Gräber so berühmter Pharaonen wie Thutmosis III. und Ramses II. längst aufgebrochen und ausgeplündert. Um wenigstens die Leichname zu schützen, wurden sie umgebettet und in einem versteckten Felsgrab für Hohepriester bei Luxor zusätzlich beigesetzt.

Insgesamt 34 Särge sammelten sich so im Lauf der Zeit an. Sie blieben fast 2800 Jahre unentdeckt, doch auch dieser vermeintlich letzte Ruheort blieb nicht ungestört. Wahrscheinlich in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckten ägyptische Bauern das Sammelversteck, entnahmen einen Teil der kleineren Grabbeigaben wie Totenfiguren, Amulette und Papyri und verkauften sie an Europäer. Nachdem die Antikenverwaltung, neugierig gemacht durch solche plötzlich aufgetauchten Funde, 1881 die Herkunft in Erfahrung gebracht hatte, wurde der deutsche Wissenschaftler Emil Brugsch mit der Sicherstellung beauftragt. Er räumte das Grab in nur zwei Tagen aus. Die Mumien und Grabbeigaben wurden nach Kairo überführt, das Grab wieder sich selbst überlassen.

"Als Brugsch damals das Cachette genannte Sammelversteck ausräumte, geschah das innerhalb von zwei Tagen", erzählt Professor Erhart Graefe von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Grabräuber hätten mit einem Überfall auf das Lager gedroht, so daß Brugsch schnell handeln mußte, um die Särge zu retten. Zwar skizzierte er die Grabanlage, doch, wie sich jetzt zeigt, fehlerhaft und irreführend. Auch gelang es ihm nicht, tatsächlich alle Beigaben in der Eile zu bergen.

Erst moderne Technik und Wissenschaft machen jetzt eine methodische Erschließung des Grabes möglich. Während Brugsch nur mit Kerzen arbeiten konnte und darum viele Kleinfunde übersah, greifen die modernen Forscher auf einen Generator zurück, der ein paar tausend Watt Beleuchtung liefert und eine elektrische Winde an treibt. Doch auch so ist die Arbeit noch schwierig genug: Die eigentliche Grabkammer ist fast vollständig verschüttet, bisher konnten etwa zehn Prozent der antiken Oberfläche im Eingangsbereich freigelegt werden.

Bei der erneuten Ausgrabung stießen die Ägyptologen auf viele interessante Details. So hat der Franzose Gaston Maspera, der die Cachette 1882 besuchte, im Eingangsbereich drei Graffiti, die die Namen der ersten darin bestatteten Personen wiedergaben, gesehen und wahrscheinlich nach Photos kopiert. Zwei von ihnen wurden bei einer neuerlichen Öffnung 1938 als verloren gemeldet. Doch das Team um Graefe konnte zwei der drei wiederfinden und so aufnehmen, wie es den Standards heutiger wissenschaftlicher Arbeit entspricht. Weitere Bruchstücke dieser Graffiti fanden sie im Schutt.

Die Forscher konnten gerade in den letzten drei Tagen der Kampagne, nachdem das Geröll beiseite geräumt war, zahlreiche Funde machen. Darunter war das Fragment eines gelben Glasgefäßes in einer Farbe, wie sie Graefe bisher noch nicht gesehen hat. Ein zerbrochenes Stuhlbein weist auf Möbel als Grabbeigaben, ein Schminklöffel auf das Begräbnis einer Frau hin. Außerdem wurden noch viele Uschebtis, zeremonielle Figürchen, gefunden.

Doch den Funden galt nicht das ausschließliche Interesse von Graefe. Die genaue Vermessung brachte zahlreiche Ungereimtheiten in den alten Berichten zu Tage. Längen und Höhen waren falsch angegeben, eine zweite Kammer, von der in der Literatur angenommen worden war, daß sie bis zu 24 Särge habe aufnehmen können, erwies sich als groß genug für nur maximal vier Särge. Erstmals wurden Fotos und Filmaufnahmen von der Cachette gemacht. Doch vor allem konnte Graefe nun genau das Alter der Cachette bestimmen: Statt in die 18. Dynastie ordnet er sie nun in die 21. ein, rund vier hundert Jahre später.

Die Funde, die bei dieser Ausgrabung gemacht wurden, wandern nach der Auswertung zu den 1881 abtransportierten Stücken, die derzeit schon in Kairo aufbewahrt werden. Es waren einmal rund 6000 Nummern, doch sind vor hundert Jahren sehr viele – wie viele genau, ist unbekannt – als Dubletten verkauft worden. Die Särge sind kaum zugänglich, viele Funde haben noch nie einen Restaurator gesehen. "Darum ist es wichtig, daß wir unsere Funde publizieren, damit sie wenigstens in Buchform bekannt werden", sagt Graefe.

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