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News: Die Logik des Lernens

Unser ganzes Leben lang lernen wir. Manches begreifen wir sofort, bei anderen Dingen hilft selbst wochenlanges Pauken nichts. Doch was unterscheidet leicht von schwierig? Neueste psychologische Untersuchungen führen den Schwierigkeitsgrad eines zu lernenden Problems auf seine mathematisch-logische Komplexität zurück.
Während Sie diesen Text lesen, geschieht Erstaunliches: Ein Bild der Buchstaben wird auf die Netzhaut ihres Auges projiziert, in einzelne Signale verschlüsselt, zu ihrem Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet. Obwohl jeder einzelne Buchstabe, je nach Schriftart, durchaus anders aussehen kann, identifizieren Sie ohne weiteres beispielsweise den Buchstaben "E". Ihr Gehirn ist zur Mustererkennung fähig.

Ohne diese Mustererkennung wäre eine Orientierung in der Umwelt nicht möglich. Indem das Gehirn die Sinneseindrücke in möglichst einfache Kategorien ordnet, bewältigt es die permanente Informationsflut. Doch was ist "einfach"? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Psychologe Jacob Feldman vom Rutgers Center for Cognitive Science in New Brunswick. Er versuchte, die Komplexität von Kategorien mit der formalen Logik der Boole'schen Algebra zu erfassen (Nature vom 5. Oktober 2000).

Nach der klassischen Logik können Aussagen durch "und", "oder" und "nicht" miteinander verknüpft werden, sodass wieder neue logische Aussagen entstehen. Der englische Mathematiker George Boole (1815 bis 1864) betrachtete diese Verknüpfungen vom Standpunkt der Algebra: Die logischen Verknüpfungen verwandeln sich zu mathematischen Operationen, für die Rechenregeln aufgestellt werden können. Es entstehen logische Formeln unterschiedlicher Komplexität. So hat die Formel "a oder b" den Komplexitätsgrad 2, die Formel "a oder (b und c)" den Komplexitätsgrad 3. Nach den Rechenregeln können Formeln vereinfacht werden: "(a und b) oder (a und (nicht b)" ist das Gleiche wie "a" – die Komplexität ist also 1 und nicht 4.

Feldmans Lernexperimente beruhten auf dieser formalen Logik. Er präsentierte seinen Versuchspersonen Kombinationen geometrischer Figuren, die sich in binäre Kategorien wie Gestalt (Kreis oder Dreieck), Größe (groß oder klein) oder Farbe (schwarz oder weiß) unterschieden. Die Versuchspersonen mussten diese Kombinationen erlernen und später wiedererkennen. Unterschiedliche Kombinationen ergaben unterschiedliche Komplexitätsgrade, die sich mit der Boole'schen Algebra beschreiben ließen. Es zeigte sich, dass die Schwierigkeit des Erlernens direkt proportional zu seiner Boole'schen Komplexität war.

Der Psychologe schließt aus seinen Experimenten, dass sich die subjektiven Eindrücke "einfach" oder "schwierig" auf mathematische Grundlagen zurückführen lassen: "Einfach" und damit schnell zu erlernen sind Probleme mit einem niedrigen Boole'schen Komplexitätsgrad. Sein Kollege Nick Chater von der University of Warwick in Coventry bringt es auf den Punkt: "Der menschliche Geist bevorzugt einfache Interpretationen der Welt."

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