Direkt zum Inhalt

News: Die Mutter tröstet, doch wen interessiert's ?

Das Baby wird geimpft. Die Nadel durchsticht die Haut, das Kind verzieht das Gesicht und schreit auf. Seine Mutter schaukelt es, flüstert ihm sanft ins Ohr, gibt ihm mit ihrer Nase einen kleinen Stups auf das Gesicht und streichelt ihm über den Kopf. Kurz: Sie versucht, das Kind zu besänftigen. Welche Mutter täte das nicht? Aber ändert das etwas für das Kind?
Ganz offensichtlich nicht. Das sagen zumindest Michael Lewis und Douglas Ramsay von der Robert Wood Johnson Medical School in New Jersey. Wie die Wissenschaftler in Child Development vom Februar 1999 berichten, beeinflußt das beruhigende Verhalten der Mutter nur geringfügig die Konzentration des Streß anzeigenden Hormons Cortisol, das auch als Hydrocortison bezeichnet wird. Außerdem reagiert das Kind trotz der Zuneigung nicht anders auf Streß. Dieses Ergebnis überrascht schon, wenn man die beachtliche Hingabe der Mutter betrachtet, die nachweislich die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Kindes entscheidend beeinflußt.

Ramsay und Lewis studierten eine Gruppe Mütter aus der sozialen Mittelschicht und deren Kleinkinder während der routinemäßigen Impfungen und Untersuchungen, die bei den Babies im Alter von zwei, vier und sechs Monaten durchgeführt werden. Bei jeder Untersuchung nahmen die Forscher von jedem einzelnen Baby zwei Speichelproben – eine nach der Ankunft des Kindes und eine nach einer Injektion. So stellten sie die Ausgangs- und Höchstwerte des Cortisols fest. Außerdem filmten sie die Untersuchungen, so daß unabhängige Bewerter das Verhalten von Mutter und Kind klassifizieren konnten – sowohl als Reaktion auf den medizinischen Vorgang als auch während der Ruhephasen.

Wie Lewis und Ramsay herausfanden, waren die Babies sowohl kurz- als auch langfristig gleichbleibend verängstig – unabhängig davon, ob die Mutter sie tröstete. Die Wissenschaftler entdeckten jedoch gleichfalls, daß das Ausmaß der mütterlichen Besänftigung offenbar mit dem Temperament des Kindes zusammenhängt. Mütter von Sechsjährigen, die im Alter von zwei Monaten besonders schwer zu beruhigen waren, strengten sich mehr an, ihre Kinder zu trösten, als Eltern von ruhigeren Kindern.

Auch wenn die Liebkosung der Mutter das Kind nicht direkt beruhigen kann, so schließen die Forscher nicht aus, daß die ihre Handlungen dem Baby ein insgesamt entspannenderes Umfeld bieten und dadurch schließlich die Bindung zwischen den beiden gestärkt wird.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.