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Pilze: Die Rückkehr der deutschen Trüffeln

Sie sind begehrt, aber streng geschützt. Mit wissenschaftlicher Hilfe will ein Spitzenkoch schwarze Trüffeln kultivieren - und sie damit für alle zugänglich machen.
Schwarzer Trüffel

Frank Krajewski ist ein gemütlicher Rheinländer mit einer Leidenschaft für Pilze. Das kurze Warten auf den Artikelautor am Rand von Bad Bodendorf im Ahrtal hat Krajewski flugs genutzt, um in der unmittelbaren Umgebung seines geparkten Wagens schnell nach Pilzen Ausschau zu halten – erfolgreich, wie die Funde in seinem Korb zeigen.

Prunkstücke sind zwei schwarze Knollen, an denen noch etwas feuchte Erde klebt: Trüffeln. Allerdings waren schon Maden und Würmer Krajewski zuvorgekommen, und so ist der Edelpilz bereits etwas angefressen und matschig. Schade, denn sonst hätte ein leckeres Abendessen mit Trüffeln gewinkt. Natürlich nur rein theoretisch. Denn in Deutschland ist das Sammeln von Trüffeln verboten. »Wilde Trüffeln stehen unter strengem Naturschutz«, sagt Krajewski in einem Ton, der keinen Zweifel daran lässt, dass er das Verbot für Unsinn hält. »Trüffeln gibt es hier an der Ahr reichlich.«

Trüffelfund | Als Pilzsachverständiger des Ahrtrüffelvereins ist Frank Krajewski der Hüter der Truffiere in Sinzig-Bad Bodendorf.

Es existieren jedoch zwei Ausnahmen vom Sammelverbot: Mit behördlicher Genehmigung dürfen Trüffeln für wissenschaftliche Zwecke ausgebuddelt werden, und kultivierte Trüffeln können gar restriktionsfrei gesammelt, verzehrt oder auch gehandelt werden. Der Besuch einer Trüffelkultur, ganz fein auf Französisch Truffiere genannt, ist an diesem warmen Spätsommertag der eigentliche Zweck des Treffens mit Krajewski, dem die Hege und Pflege der vom Verein Ahrtrüffel e.V. angelegten Plantage obliegt.

Schwarzbraun wächst es an der Haselnuss

Auf einem sonnenbeschienenen Hang zwischen Bodendorf und den ersten Ahrweinbergen, mit Blick auf die Ahr und ihren Weg zum Rhein, gedeihen gut 300 Haselnusssträucher, deren Wurzeln 2006 mykofiziert, also mit Trüffelsporen behandelt worden sind. »Es dauert in der Regel fünf bis acht Jahre, bis sich die ersten Pilzkörper bilden«, so Krajewksi, der seine Plantage 2014 beproben ließ: »Wir haben von Experten den Mykotisierungsgrad messen lassen – er liegt bei vier von fünf möglichen Punkten, das ist sehr viel versprechend.«

Frontmann der Trüffelenthusiasten von der Ahr ist der Koch Jean-Marie Dumaine, dessen Restaurant »Vieux Sinzig« seit Jahrzehnten weit über die Stadt Sinzig am Rhein hinaus mit der wunderschönen, spätromanischen Kirche St. Peter aus dem 13. Jahrhundert bekannt ist. Es war der Franzose aus der Normandie, der 2002 bei einem Spaziergang mit seinem Hund Max die Trüffeln an der Ahr entdeckte oder, besser gesagt, wiederentdeckte. »Wir sind vom Sonneberg bis Neuenahr gezogen. Innerhalb von vier Stunden hatten wir 45 Trüffeln mit einem Gesamtgewicht von 800 Gramm gefunden. Das war wie Ostereier suchen«, erinnert sich Dumaine.

Den Ahrtrüffelverein habe er gründet, weil es so viele Fragen zu den deutschen Burgundertrüffeln gab, die sowohl in der Gunst der Gourmets als auch bei den Marktpreisen auf Platz zwei hinter den Edelpilzen aus Frankreich und Italien rangieren. »Als Koch weiß ich doch nur, wie man Trüffeln zubereitet. Deshalb war es mir wichtig, mit Profis wie Pilzexperten, Wissenschaftlern und Historikern sowie Journalisten zusammenzuarbeiten«, erzählt Dumaine bei einem Gespräch während des Köchemarkts, einer jährlichen Veranstaltung der Köche der Spitzenrestaurants an der Ahr.

Eigentlich recht häufig

Dabei sind Trüffeln gar nicht so selten, wie gemeinhin vermutet wird. Tatsächlich wachsen sie überall auf Welt, wenn Boden-, Klima- und Baumverhältnisse stimmen. Man findet die Pilze der Gattung Tuber in Australien und Neuseeland, in Spanien und Serbien, in Russland und in China. Die allermeisten aber entsprechen nicht dem Geschmack der Trüffelenthusiasten. Chinatrüffeln beispielsweise sehen zwar denen aus dem Perigord sehr ähnlich, es fehlt ihnen jedoch der typische Geruch und Geschmack. Allerdings werden sie oft verwendet, um sie unter die begehrten Speisetrüffeln zu mischen und so die Konsumenten zu täuschen. Den Trüffelhype in Deutschland sieht der Kenner und Journalist Christian Volbracht deshalb mit einigem Stirnrunzeln. »Die Burgundertrüffeln haben, wenn sie sehr gut sind, ein zartes, schönes Aroma, mehr aber auch nicht. Sie haben nichts mit den Spitzentrüffeln aus dem Perigord zu tun«, sagt der Autor des Buchs »Trüffeln: Mythos und Wirklichkeit« und fügt hinzu: »Ich kritisiere diese ständige Verwischung der Unterschiede durch die Trüffelbaumverkäufer, die den Leuten das Blaue vom Himmel runter versprechen.«

Auf die deutsche Rote Liste der geschützten Arten geriet die Burgundertrüffel nur durch Zufall. »Als 1986 die Liste zusammengestellt wurde, bemerkten die Beamten, dass noch keine Pilze darin aufgeführt waren. Also setzten sie Trüffeln auf die Liste, weil sie scheinbar so selten waren«, weiß Volbracht. Der Journalist hat zudem die von dem Trüffelhistoriker Rengenier Rittersma in die Welt gesetzte Geschichte widerlegt, nach der die Nazis den Luxuspilz als »welsches Produkt« verboten haben. »Ich habe keine Dokumente gefunden, die die Nazithese belegen.«

Der Nazipatzer aber schmälert nicht die Verdienste von Rittersma, der eher durch Zufall zum ersten und bislang vermutlich einzigen akademischen Trüffelhistoriker avancierte. Während seiner Promotion am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz lebte der heutige Dozent an der Rotterdam Business School auf dem Land und bildete seinen Hund für die Trüffelsuche aus. »In Italien braucht man eine Lizenz dazu. Zur Vorbereitung der Prüfung beim Forstamt las ich ein Buch über Trüffeln. Ich fand schnell heraus, dass es kein Buch über die Geschichte der Trüffeln gab, und so dachte ich als Historiker, fange ich doch damit an.« Freimütig gibt der im Hunsrück lebende Wissenschaftler aber auch zu: »Am wenigsten hat mich die gastronomische Dimension interessiert. Die Quellensuche ähnelt aber sehr der Trüffelsuche. Man braucht eine Nase, um gute Dokumente zu finden. In den Archiven einiges auszubuddeln, fand ich spannend.«

Trüffelgericht | Gourmets schwören auf den Geschmack von Trüffeln, die über Nudeln gehobelt werden.

Mythen und Legenden

Seit der Antike ranken sich Mythen und Legenden um Trüffeln. Im wissenschaftlichen Bereich wurde lange ernsthaft die Frage diskutiert, ob die unterirdisch wachsenden Trüffeln zu den Steinen oder zu den Pflanzen gehören oder gar eine Zwischenart bilden. Anders als in Frankreich und Italien standen die Deutschen diesen Pilzen immer skeptisch gegenüber. Für die Benediktinernonne Hildegard von Bingen galt der Edelpilz gar als Teufelszeug. Das (Vor-)Urteil hielt sich auch noch, als klar war, dass die Heilkundlerin nur über die unappetitliche Hirschtrüffel geschrieben hatte, die heute gar nicht mehr als Trüffelart gesehen wird. Rittersma schreibt deshalb: »In Deutschland herrscht eine allgemeine Mykophobie.«

Trüffeln wurden in Deutschland daher erst so richtig ab dem 18. Jahrhundert beliebt, als, so Volbracht, in den deutschen Fürstenhäusern eine »Trüffelverrücktheit« zu grassieren begann. Rittersma ergänzt: »Plötzlich wollte jeder Landesfürst wissen, ob in seinem Reich Trüffeln gedeihen, und heuerte Trüffeljäger an.« Trüffelgerichte wurden zum Inbegriff des opulenten höfischen Lebens – und die Edelknolle als teures Geschenk an Fürstenkollegen ein Mittel der Diplomatie. Truffieren entstanden, und bis zum Ende des Ersten Weltkriegs exportierte Deutschland sogar Trüffeln.

Wissenschaftlich sind Trüffeln jedoch weiterhin ziemlich unbekannte Wesen. »Derzeit beschäftigt sich die bekannte Forschertrüffelwelt hauptsächlich mit der Beantwortung von genetischen Fragen«, sagt die Trüffelforscherin Karin Lüer-Kirsch von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Dann fügt die Wissenschaftlerin am Institut für Genetik hinzu: »Es gibt eine Ausnahme: Francesco Paolocci vom CNR Plant Genetics Institute in Perugia hat herausgefunden, dass es zwei Geschlechter von Trüffeln gibt, die nur im Teamwork Nachwuchs zeugen können und in so genannten Singlegemeinschaften, also unterschiedlichen Gengemeinschaften, an den Wurzeln beispielsweise von Eichenbäumen existieren müssen.« Wie das genau passiert, darüber spekulieren die Trüffelforscher noch.

Unverstandene Biologie

Die molekulare Ökologie hat der Trüffelforschung neue Möglichkeiten eröffnet. Alexander Urban vom Institut für Botanik der Uni Wien sagt: »Trüffeln gehörten zu den ersten Schlauchpilzen, deren Genom sequenziert wurde. So wurde die Trüffel vom exotischem zu einem Modellorganismus. Vorher war die Trüffelforschung extrem zeitraubend und schwierig. Wenn der Pilz nicht als Fruchtkörper vorliegt, sondern nur als Myzel, lässt er sich kaum identifizieren.«

War die entsprechende Erforschung lange Zeit eine Domäne der Trüffelländer Italien und Frankreich, sind inzwischen auch wieder deutsche Wissenschaftler den Geheimnissen des Pilzes auf der Spur. Der Göttinger Chemiker Richard Splivallo gehört als einziger in Deutschland arbeitender Wissenschaftler zu einem Team von Forschern aus Frankreich und Italien, die das Genom der Perigordtrüffeln entschlüsselt haben. Und Lüer-Kirsch widmet sich der Frage, welche Rolle bestimmte Insekten für die Verbreitung von Trüffelsporen spielen. Offene Fragen gibt es zudem noch viele zur Symbiose von Bäumen mit Trüffeln und anderen Pilzen. Bäume versorgen die Pilze mit Nährstoffen, während die Pilze ihrerseits von der Fotosynthese der Bäume profitieren. »Auf 100 Quadratmeter Waldboden befinden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit an die 100 Pilzarten, die Mykorrhizen bilden. Warum sollten sie so viele Pilzarten durchfüttern, wenn es auch ohne sie ginge?« Bei Trüffeln bildet sich in dem Bereich, wo sich die Wurzeln des Wirtsgewächses mit dem Pilzgeflecht verbinden, eine Art Todeszone: Dort stirbt die Vegetation sogar ab – womöglich beseitigt der Pilz hier also unliebsame Konkurrenz seines »Gastgebers«.

Abseits der Forschung steht im »Vieux Sinzig« vor allem das Kulinarische im Vordergrund. Dumaine selbst genießt Trüffeln am liebsten auf einfachste Art: »Ganz simpel! Über ein frisches, mit Salzbutter bestrichenes Baguette hoble ich mir frische Trüffeln. Dazu etwas Fleur de Sel. Das ist ein Hochgenuss.«

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