Direkt zum Inhalt

News: Die schwierige Frage nach dem Alter

Die Radiokarbonmethode erlaubt Archäologen, ihre Funde zeitlich recht genau einzuordnen. So konnten Wissenschaftler nun das absolute Alter des ältesten Holzbauwerks der Welt bestimmen. Doch bei den pflanzlichen Kalenderaufzeichnungen ist offenbar Baum nicht gleich Baum und Art nicht gleich Art: Je nach Region und Wachstumsperiode können die Mengen des gespeicherten Kohlenstoffisotops stark schwanken.
Bronzekrug
Bäume sind gründliche Archivare. In ihren Jahresringen speichern sie auch einen gewissen Anteil des radioaktiven Kohlenstoffisotops 14C, das in der unteren Stratosphäre höherer Breiten durch die Kollision von Neutronen aus kosmischer Strahlung mit Stickstoffmolekülen entsteht. Seine Halbwertszeit beträgt etwa 5730 Jahre, weshalb Forscher aus dem in der Probe nachgewiesenen Anteil das Alter des Objektes bestimmen können.

Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass der 14C-Gehalt der Atmosphäre aufgrund reger Durchmischung auf den jeweiligen Halbkugeln überall gleich ist. Doch weit gefehlt, wie sich jetzt herausstellte. Bernd Kromer von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen verglichen die 14C-Daten gleichaltriger süddeutscher Eichen und anatolischer Kiefern. Im Durchschnitt zeigte die Radiokarbondatierung nur minimale Unterschiede in der Alterseinschätzung, wobei die Kiefern immer geringfügig jünger als die Eichen eingestuft wurden. Betrachteten die Forscher jedoch nur das Jahrzehnt zwischen 1440 und 1540, schienen die Kiefern 17 Jahre älter zu sein als die Eichen [1].

Woher stammen diese regionalen Unterschiede? Die Autoren vermuten Schwankungen der Sonnenaktivität als Auslöser. Denn bei niedriger Aktivität wird deutlich mehr 14C produziert als bei hoher. Erst im späten Frühjahr tritt das Isotop durch Kohlendioxid in die Troposphäre ein und kann von Pflanzen aufgenommen werden. Da die anatolischen Kiefern hauptsächlich im Frühjahr und Frühsommer wachsen, speichern sie somit weniger 14C in ihrer Biomasse als die deutschen Eichen, deren Hauptwachstumszeit im Sommer liegt.

Auch Sturt Manning von der University of Reading und seine Kollegen stolperten über solche Altersunterschiede, als sie mit der Radiokarbonmethode das älteste Holzbauwerk der Welt datierten – den Tumulus mit der Grabkammer von König Midas in Gordion, der Hauptstadt der Phrygier. Als sie die bisher rein relativen Daten, die über 1000 Jahre umfassen, mit absoluten Daten verschiedener mitteleuropäischer Bäume verglichen, passten die Ergebnisse nur, wenn sie den Zeitabschnitt von 800 bis 750 vor Christus ausklammerten [2]. Die Forscher vermuten, dass auch in diesem halben Jahrhundert aufgrund verringerter Sonnenaktivität weniger 14C entstand und die Bäume somit geringere Mengen einlagerten.

Diese exakte Altersbestimmung klärt nun aber auch einige Streitfälle in der Geschichte des östlichen Mittelmeerraumes. Denn den Messungen zufolge sind die Reste etwa 22 Jahre älter als bisher angenommen. Was auf den ersten Blick nicht viel erscheint, macht für einige Aspekte einen großen Unterschied. So stammt das Grab, in dem bisher König Midas vermutet wurde, nun offensichtlich aus dem Jahre 740 vor Christus – demnach kann nur sein Vater oder Großvater darin liegen.

Damit verschieben sich auch die Zeitangaben, wann die ersten Schriftzeichen außerhalb von Phönizien auftraten. Denn unter den Grabbeigaben ist ein Bronzekrug, der am Rand ein Bienenwachssiegel trägt. Darin eingraviert sind Buchstaben, die an das griechische Alphabet auf anderen Überresten aus dieser Zeit erinnern. Das zeigt laut Peter Kuniholm von der Cornell University, dass sich die wohl in Phönizien entstandenen Zeichen sehr schnell über den Wasser- wie über den Landweg nach Westen ausbreiteten.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.