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News: Die Science-Top-Ten des Jahres 1998

Das Jahresende ist die traditionelle Zeit für Rückblicke auf die vergangenen Monate. Auch die Redaktion von Science blätterte in ihren alten Ausgaben und stellte zusammen, was ihrer Meinung nach die bedeutendsten wissenschaftlichen Fortschritte 1998 waren.
Unter der Leitung ihres Chefredakteurs Floyd E. Bloom haben die Redakteure von Science sich auch dieses Jahr die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aus vielen Hunderten hervorragender wissenschaftlicher Arbeiten haben sie die ihrer Ansicht nach zehn wichtigsten Fortschritte herausgesucht und dann noch aus diesem Kreis einen besonderen Favoriten erwählt. Die Liste mag zwar hier und da subjektiv und anfechtbar sein, aber sie demonstriert eindrucksvoll, daß 1998 ein Jahr mit vielen echten wissenschaftlichen Höhepunkten war.

  • Zum "Durchbruch des Jahres" wurde die Erkenntnis gekürt, daß das Universum nicht nur unaufhörlich, sondern anscheinend sogar immer schneller expandiert. Unabhängig voneinander untersuchten zwei Forscherteams weit entfernte Sternexplosionen, sogenannte Supernovae. Sie kamen zu dem Schluß, daß ihre Daten nur so zu erklären seien, daß das Universum sich immer schneller ausdehnt. Welche Kraft dahinter steht und der Gravitation entgegenwirkt, ist noch unbekannt. Einen der Kandidaten – eine überall vorhandene, mysteriöse Abstoßungskraft – hatte Einstein ursprünglich als "kosmologische Konstante" in seine Gleichungen der Relativitätstheorie eingebracht und später als seinen größten Fehler bezeichnet. Aufgrund der neuen Erkenntnisse erlebt die kosmologische Konstante in den Theorien der Astrophysiker jetzt eine wahre Renaissance.

  • Den zweiten Platz belegte die Arbeit zu den circadianen Rhythmen der Lebewesen. In nahezu jedem Organismus tickt eine biologische Uhr, die vorgibt, wann es Zeit für Aktivität oder zum Schlafen ist. 1998 erlangten die Wissenschaftler tiefe Einblicke, wie durch Licht- oder Temperaturwechsel diese Uhr gestellt wird und wie die einzelnen Komponenten des Regelzyklus zusammenwirken. Die Ergebnisse offenbaren eine erstaunliche Übereinstimmung der biologischen Uhren vom Bakterium bis zu uns Menschen. Taufliegen und Mäuse – zwei Tiergruppen, deren Entwicklungen seit etwa 700 Millionen Jahren getrennte Wege gehen – verfügen sogar über die gleichen Proteine für ihre Rhythmik. Die Menschen könnten aus der Forschung zu den circadianen Abläufen direkt profitieren, wenn daraus schließlich Therapien gegen den Jet lag oder die Winterdepression hervorgehen. Die weiteren Forschungsthemen werden ohne wertende Reihenfolge angegeben:

  • Durch die Aufklärung der Struktur des Kaliumkanals in Zellmembranen verstehen die Neurobiologen jetzt besser, wie Zellen den Ionenfluß hinein und heraus regulieren. Die Verteilung der Ionen spielt eine wesentliche Rolle bei der Reizleitung, so daß Störungen des Vorgangs zu schweren Krankheitserscheinungen führen können.

  • Das Arsenal zur Vorbeugung und Behandlung von Krebs ist 1998 bedeutend erweitert worden, zum Beispiel um Heceptin, Tamoxifen und Raloxifen. Auch wenn jedes einzelne Medikament seine Nachteile hat, so wurden doch bedeutende Fortschritte erzielt. Dazu gehört auch ein neues Bewußtsein in der Bevölkerung, die sich einer gesünderen und bewußteren Lebensweise zuwendet.

  • Die kombinatorische Chemie reichte 1998 weit über die Grenzen der traditionellen Pharmazie hinaus. Sie erlaubt es, Hunderttausende Substanzen gleichzeitig auf ihre Eigenschaften zu testen. Ihr Einsatzgebiet beschränkt sich dabei nicht auf die Suche nach neuen Medikamenten, sondern umfaßt mittlerweile auch die Entwicklung neuer Katalysatoren und anderer industriell genutzter Komponenten.

  • Gleich von mehreren Mikroorganismen und von einem Tier konnten die vollständigen Genome sequenziert werden. Der kleine Wurm Caenorhabditis elegans wird schon lange von Biologen zu Forschungszwecken eingesetzt, jetzt ist er das erste vielzellige Tier, dessen Erbsubstanz aufgeschlüsselt wurde. Mit den Gen-Daten wollen die Wissenschaftler zum einen die Verwandtschaftsbeziehungen der Organismen aufklären und zum anderen die molekularen Abläufe in der Zelle besser verstehen. Das Spektrum reicht dabei von der Entwicklung des Embryos bis hin zur Identifizierung neuer Angriffspunkte für Medikamente.

  • Lange haben Physiker angenommen, das Neutrino habe keine Masse. Doch dann kam die Meldung, daß ein internationales Forscherteam am Super-Kamiokande-Detektor in Japan nachgewiesen hat, daß diese rätselhaften Teilchen doch Masse besitzen. Die Entdeckung wird weitreichende Folgen haben für viele Theorien, die das Zusammenspiel von Teilchen und Kräften betreffen, aus denen sich das Universum aufbaut.

  • Wenn zwei unterschiedliche Wissenschaftsgebiete sich zusammentun, dann können sich erstaunliche Möglichkeiten ergeben. So geschehen bei der Entwicklung der Biochips durch Biologen und Forscher der Mikrochip-Technologie. Die kleinen Bauteile führen Aufgaben durch, die sonst ganze Labors beschäftigt haben: Sie analysieren DNA, untersuchen Blutproben, finden krankmachende Genmutationen und Testen die Aktivität von Genen. Inzwischen haben sich große Wirtschaftskonzerne in die Forschung eingeschaltet, nachdem sie gemerkt haben, welche Potentiale in den Biochips stecken.

  • Ein Hauch von Science fiction wehte durch die wissenschaftliche Welt und die Medien, als die erste Teleportation im Labor gelang. Dabei wurde der Quantenzustand eines Teilchens übertragen, um an einem anderen Ort ein identisches Teilchen zu bilden. Auch in der Zukunft wird die Technik nicht zum Transport von Materie dienen, aber bei der Konstruktion von Quantencomputern werden die experimentellen Erfolge sicherlich von Nutzen sein.
  • Zwischen "mein" und "dein" zu unterscheiden, ist selbst für das Immunsystem manchmal schwierig. Besonders, wenn Krankheitserreger Strukturen aufweisen, die körpereigenen Bauteilen stark ähneln. Dann kann diese molekulare Mimikry zu Autoimmunerkrankungen führen, wie zum Beispiel nach Infektionen mit dem Herpes simplex-Virus 1 oder der Lyme-Krankheit. Bei einigen Menschen entwickeln sich chronische Probleme, obwohl der Erreger längst aus dem Körper verschwunden ist. Jetzt ist es den Wissenschaftlern gelungen, den Zusammenhang zwischen der Infektion und dem fehlgeleiteten Immunsystem nachzuweisen.

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