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Migration in der Altsteinzeit: Die Seefahrer wussten schon, wohin sie wollten

Um auf den japanischen Ryukyu-Inseln zu landen, mussten die ersten Siedler in der Altsteinzeit rund 200 Kilometer übers Meer fahren. Dass sie es schafften, war wohl kein Zufall, sondern ein wagemutiger Akt.
Nachgebautes Bambus-Kanu mit fünf Ruderern

War es die Meeresströmung, die einst Seefahrer auf unbekannten Inseln stranden ließ? Oder navigierten die ersten Siedler gezielt über den Ozean zu fernen Stränden? Diese Frage hat ein Team um den Anthropologen Yousuke Kaifu vom Nationalen Museum für Natur und Wissenschaften in Tokio jetzt am Beispiel der japanischen Ryukyu-Inseln untersucht. Das Fazit in den »Scientific Reports«: Die Seefahrer, die dort in der Altsteinzeit landeten, hatten die Inseln wahrscheinlich gezielt angesteuert.

Archäologische Funde belegten, dass schon vor rund 35 000 bis 30 000 Jahren Menschen aus Taiwan auf den etwa 200 Kilometer entfernten Ryukyu-Inseln siedelten. Die Inselgruppe zieht sich vor der chinesischen Küste über 1200 Kilometer von Taiwan im Süden bis zu den größeren japanischen Hauptinseln im Norden. Bislang war unklar, ob die im dortigen Pazifik herrschende starke Meeresströmung die späteren Inselbewohner zufällig dorthin getrieben hatte.

Die Ryukyu-Inseln im Paläolithikum | So sah die Region vor rund 35 000 bis 32 000 Jahren aus: Der Meeresspiegel lag etwa 80 Meter tiefer als heute, so dass die südlichen Ryukyu-Inseln etwas besser sichtbar gewesen sein dürften.

Der Japan-Strom, »Kuroshio« genannt, bildet das Ende des Nordäquatorialstroms, der von den Philippinen an Taiwan vorbei bis nach Japan reicht. Die Strömung habe sich in den vergangenen 100 000 Jahren nicht groß verändert, schreiben die Forscher. Deshalb sei die heutige Drift auch noch aussagekräftig: Um die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Landung zu berechnen, werteten Yousuke Kaifu und sein Team Satellitendaten von 138 Bojen aus, die zwischen 1989 und 2017 auf dem Meer schwammen.

Satellitendaten von 138 Bojen | Nur vier Bojen näherten sich den Ryukyu-Inseln bis auf 20 Kilometer, die übrigen wurden vom Strom weiter an den Inseln vorbeigetrieben.

»Nur vier der Bojen gelangten in einen Umkreis von 20 Kilometern von einer der Ryukyu-Inseln, und in allen Fällen war das auf ungünstige Wetterbedingungen zurückzuführen«, sagt der Anthropologe in einer Pressemitteilung. Der Strom habe die Bojen also von den Inseln weggetrieben – außer bei Sturm. Bei schlechtem Wetter aber würden sich Seefahrer nicht aufs Meer wagen, zumal es sich nach bisherigen Erkenntnissen um Familien gehandelt haben soll. Viel wahrscheinlicher: dass sie die Inseln schon im Blick hatten. Von den Bergen an der Küste Taiwans könne man die am nächsten liegende Yonaguni-Insel manchmal sehen.

»Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Drift-Hypothese für paläolithische Migration in dieser Region fast unmöglich ist«, sagt Kaifus. Die Migration auf die Ryukyu-Inseln dürfte im Übrigen sehr schwierig gewesen sein, weil dort eine der stärksten Strömungen der Welt herrsche. »Wenn sie dieses Meer absichtlich überquert haben, war es ein kühner Akt.«

Der Anthropologe weiß das aus eigener Anschauung: Er war 2019 mit vier Kollegen in einfachen Bambusbooten zu den Ryukyu-Inseln gepaddelt. Für die rund 200 Kilometer brauchten sie knapp zwei Tage. Damals sagte der Anthropologe, es sei ein großes Rätsel, wie die Menschen dieser Zeit die Inseln besiedelten.

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