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News: Die Speichen der Saturnringe – von Gewittern verursacht?

Ein Forscherteam um Geraint Jones vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau stellte die interessante These auf, dass die rätselhaften Speichen in den Saturnringen durch Gewitter auf dem Planeten entstehen.
Die mysteriösen dunklen Speichen im Saturnring
Vor mehr als 25 Jahren stießen die Forscher des Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (Kalifornien) auf Bildern der Saturnringe von den Raumsonden Voyager-1 und -2, auf seltsame dunkle Gebilde, die wie Speichen eines Rades aussahen. Die häufig etwa 100 Kilometer breiten Gebilde waren radial bis zu 20000 Kilometer lang. Die Speichen bildeten sich innerhalb weniger Stunden und verblassten dann wieder. Diese Beobachtungen versetzten die Wissenschaftler der Voyager-Missionen in großes Erstaunen.

Tatsächlich hatte jedoch bereits der Astronom Audouin Dollfuss am Observatorium auf dem Pic du Midi in den 1940er Jahren Speichen in den Saturnringen bemerkt. Seine visuellen Beobachtungen, die schon 40 Jahre vor den Voyager-Sonden feine Details des Ringsystems enthüllt hatten, wurden jedoch von der Fachwelt nicht erst genommen.

Schon bald war den Forschern klar, dass die Speichen in Wirklichkeit Wolken aus geladenem Staub sind, die durch elektrische Abstoßung zeitweise aus der Ringebene emporgehoben werden. Allerdings ist nach wie vor unklar, wie diese vorübergehenden Aufladungen entstehen.

Geraint Jones und seine Kollegen vermuten, dass mächtige Gewitter in der Saturnatmosphäre zu extrem starken, nach außen gerichteten Entladungen führen und dabei die Ringe elektrisch aufladen. Diese als »Sprites« bekannten Entladungen wurden erstmals von Astronauten bei Raumflügen oberhalb irdischer Gewitter beobachtet. Die Entladungen sprangen von der Wolkenobergrenze in die Ionosphäre, eine Schicht der Erdatmosphäre in 100 bis 200 Kilometern Höhe, in der elektrisch geladene Teilchen (Ionen) vorherrschen.

Ausgelöst werden diese Entladungen durch Teilchenschauer der kosmischen Strahlung, welche die Luftmoleküle kurzzeitig ionisieren. Dadurch sinkt der elektrische Widerstand zwischen der unteren Atmosphäre und der Ionosphäre, sodass ein elektrischer Überschlag zwischen den beiden Schichten entsteht, der zu einem Ladungsausgleich führt.

Das Ganze erinnert an einen riesigen Plattenkondensator. Im Normalfall springen zwischen seinen entgegengesetzt geladenenen Platten keine Ladungen über. Bringt man aber eine radioaktive Quelle zwischen die Platten, so ionisiert diese die Luft zwischen den Platten und Blitze schlagen über.

Beim Saturn laden die kosmische Strahlung und das Magnetfeld die Saturnringe elektrisch auf. Gleichzeitig entstehen in den Saturngewittern enorme elektrische Potentiale. Schließlich ist die Potentialdifferenz so groß, dass sich gewaltige Sprites mit der mehr als zehntausendfachen Intensität ihrer irdischen Gegenstücke nach außen entladen und die Staubpartikel aus der Ringebene herausdrücken. Die kosmische Strahlung senkt durch Ionisation des dünnen Restgases zwischem dem Planeten und seiner Ringe dessen elektrischen Widerstand.

Das Modell von Jones und Kollegen könnte auch erklären, warum die Speichen nur zeitweise sichtbar sind. In den 1990er Jahren mit dem Weltraumteleskop Hubble gewonnene Bilder enthüllen keine Speichen, und auch die Aufnahmen der Raumsonde Cassini aus den Jahren 2004 und 2005 zeigen kein derartiges Phänomen. Erst vor einigen Monaten konnten nun wieder Speichen beobachtet werden.

Der Planet Saturn ist 27 Grad gegen seine Umlaufebene geneigt und unterliegt dem entsprechend ausgeprägten Jahreszeiten. Ein Sonnenumlauf dauert rund 29 Erdjahre. Zurzeit herrscht auf der südlichen Hemisphäre Spätherbst und auf der nördlichen Hemisphäre Frühling. Die Tagundnachtgleiche (das Äquinoktium) wird im Jahr 2009 erreicht. Somit ähnelt die Beleuchtungssituation auf dem Planeten derjenigen bei den Vorbeiflügen der beiden Voyager-Raumsonden Anfang der 1980er Jahre. Offenbar hängt die Gewitteraktivität auf Saturn von den Jahreszeiten ab und ist nahe dem Äquinoktium besonders hoch. Nur dann sind die Voraussetzungen für das Überschlagen der Sprites auf die Ringe erfüllt, und die Speichen werden sichtbar. TA

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