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News: Die spinnen, die Forscher!

Seit langem versuchen Naturwissenschaftler und Ingenieure, ein Material mit den besonderen Eigenschaften der Spinnenseide künstlich nachzubauen. Bisher ist jedoch die Kombination von Belastbarkeit und Elastizität, die Spinnennetze auszeichnet, unerreicht. Jetzt fanden Forscher einen Weg zu einer fast identischen Faser auf Basis des natürlichen Rohstoffs.
Fünfmal so stabil wie Stahl, dreimal so zäh wie das Polyamid Aramid – der Stoff, aus dem Spinnen ihre Netze weben, ist materialwissenschaftlich gesehen ein wahres Wunder. Kein Wunder ist es, dass der Mensch versucht, dieses Material in großen Mengen zu produzieren und für sich nutzbar zu machen. Diese Versuche waren bisher aus unterschiedlichen Gründen erfolglos: Zum einen erwiesen sich Spinnenfarmen als nicht praktikabel. Als es gelang, die natürlichen Rohstoffe für die Spinnenseide mit Hilfe von Bakterien oder Hefe biotechnologisch zu erzeugen, traten bei der Verarbeitung Schwierigkeiten auf. Auch waren aggressive Lösungsmittel nötig, um überhaupt Fasern zu erhalten.

Forscher um Anthoula Lazaris von Nexia Biotechnologies und Elizabeth Welsh von der U.S. Army haben ein Verfahren entwickelt, das auf umweltfreundlichem Weg zu Seidenfäden mit den gewünschten Eigenschaften führt. Dazu isolierten sie aus zwei Spinnenarten die Gene, die für zwei Proteinkomponenten der Spinnenseide codieren. Bei der ersten Komponente handelt es sich um ein Eiweiß, das fast ausschließlich aus der Aminosäure Alanin aufgebaut ist; das zweite Protein setzt sich in erster Linie aus Glycin zusammen. Die beiden Stoffe kombinieren die Kreuzspinne (Araneus diadematus) und die Seidenspinne (Nephila clavipes) zu einem Faden, mit dem sie ihre Netze weben.

Die Gene für die Rohstoffe der Spinnenseide schleuste das Forscherteam in Brustzellen von Rindern und in Nierenzellen von Hamstern ein, die daraufhin Proteine derselben Größe produzierten, wie sie Spinnendrüsen enthalten. Dabei ist entscheidend, dass die gewählten Zelltypen die Proteine außerhalb der Zelle absondern, sodass die Substanzen leicht gesammelt werden können.

Die gewonnenen Proteine fällten die Wissenschaftler zunächst in einer Ammoniumsulfat-Lösung aus, um sie anschließend mit Wasser und Salz wieder zu lösen. Aus solchen unterschiedlich konzentrierten Spinnlösungen zogen sie dann Fäden. Die Vorteile dieses Verfahrens sind, dass es ohne aggressive Lösungsmittel auskommt und die produzierten Fasern zwar wasserfest, aber dennoch biologisch abbaubar sind.

Die fertigen Einzelfäden zeigten fast dieselben mechanischen Eigenschaften wie die natürlichen Fäden, allerdings weisen sie eine geringere Zähigkeit auf. Anders ausgedrückt: Die künstlich erzeugte Spinnenseide hält dieselbe Krafteinwirkung wie ihr natürliches Pendant aus, dehnt sich dabei aber stärker. Bereits jetzt lassen sich die mechanischen Eigenschaften der Fäden steuern, indem man die Proteinkonzentration variiert. Die Forscher wollen den Produktionsprozesses weiter optimieren, um Spinnenseide nach Maß für verschiedene Anwendungen zu ermöglichen. Dazu gehören Fäden für medizinische Wundnähte und biologisch abbaubare Angelschnüre. Sicherlich hat das Militär eigene Ideen dazu, was sich mit dem Stoff anstellen läßt.

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