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News: Die Sprache der Bienenwächter

Einem gestrengen Kerkermeister zu entkommen ist nicht leicht, sich von ihm gar mit Leckereien bedienen zu lassen wohl noch schwerer. Diese Leistung erbringt allerdings eine an Bienen schmarotzende Käferspezies: Werden die Käfer auf ihren Raubzügen durch den Bienenstock entdeckt, so lassen sie sich gefangennehmen - und überreden ihre Wächter dann sie durchzufüttern. Wichtig ist dabei offenbar nur, die richtigen Worte zu finden.
Im Jahr 1990 wurde ein kleiner südafrikanischer Bienenschädling zufällig in die USA eingeführt und fiel sogleich über die dort beheimateten europäischen Bienenarten her. Aethina tumida, der Kleine Beutenkäfer, drang in Bienenstöcke ein, tat sich dort an Pollen und gesammeltem Honig gütig und verschmähte auch frischgeschlüpfte Bienenlarven nicht – mit verheerenden Folgen. Seit 1998 rottete der Schädling allein in Florida etwa 20 000 Bienenvölker aus – er gilt dort mittlerweile als die sich am schnellsten ausbreitende Bienenseuche.

Die Bienen können dem Eindringling kaum Gegenwehr leisten, denn diese erweisen sich gegenüber direkten Angriffen als sehr widerstandsfähig. Daher verfolgen die Stockverteidiger meist einen Ausweichplan: Sie überwältigen die Käfer durch schiere Masse und kerkern sie in ungenutzten Waben ein. Davor halten dann Wächterbienen Wache, um ein Entweichen der Gefangenen aus den meist schlecht verschlossenen Zellen zu vereiteln.

Die Käfer-Kerkerhaft kann sich durchaus über einige Monate hinziehen – überraschend, denn wovon ernähren sich in der Zwischenzeit die Häftlinge? Dieser Frage nahmen sich jetzt Randall Hepburn von der südafrikanischen Rhodes University und amerikanische Kollegen an.

Sie installierten an einem halbtransparenten Bienenstock eine Videoüberwachungsanlage und zeichneten die Interaktionen von Wärtern und Häftlingen auf. Es erwies sich, dass die Käfer offenbar die Sprache ihrer Wächter gelernt hatten: Sie betrommelten mit ihren Antennen deren Gesichtspartien – ganz ähnlich wie hungrige Bienen, die um Fütterung bitten. Nach einigen Versuchen hatten die Käfer mit ihrer Bettelmasche stets Erfolg, und ihr Gefängniswärter belohnte sie mit einem hervorgewürgten Tropfen Futterhonig.

Mit Hilfe farbmarkierter Nahrung konnten die Wissenschaftler ihre Beobachtungen dann endgültig belegen: Schon einen Tag nachdem die Versuchsbienen damit gefüttert wurden, fanden sich gefärbte Nahrungspartikeln auch im Verdauungstrakt eingesperrter Käfer.

Unklar bleibt bislang, ob die beobachtete Insekten-Fraternisierung auch für die Bienen einen biologischen Vorteil hat oder diese schlicht von ihren Eindringlingen ausgetrickst wurden. Letzteres hält das Forscherteam für wahrscheinlicher. Schließlich, so Peter Neumann von der Universität Halle, der als erster die Einkerkerungsstrategie der Bienen beschrieben hatte, überlebten die Käfer meist lange genug, bis sich das gesamte Bienenvolk vor seinen Feinden aus dem Staub macht. Damit hätten die zurückgelassenen Ex-Sträflinge dann einen nahezu uneinholbaren Frühstart im Wettrennen mit konkurrierenden Plünderern verlassener Bienenstöcke wie Pilzen, Bakterien und Wachsmotten.

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