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News: Die Sprache der Hände

Warum gestikulieren wir beim Sprechen und bewegen die Hände? Wie kommt es, daß wir manchmal, wenn wir davon erzählen, etwas eingegossen zu haben, dabei eine Hand höher als die andere halten, den Arm beugen und das Handgelenk leicht drehen - so als ob wir tatsächlich gerade etwas eingießen? Folgen wir hierbei nur einer kulturellen Konvention? Kopieren wir etwas, das wir als Kinder beobachtet haben, als andere ähnlich kommunizierten? Versuchen wir zum Nutzen des Zuhörers, das Gesagte visuell zu erläutern? Oder hilft uns das Bewegen der Hände vielleicht beim Denken?
Um wenigstens einige dieser Fragen beantworten zu können, führten Jana Iverson und Susan Goldin-Meadow von der Indiana University in Bloomington, Indiana, eine Reihe faszinierender Beobachtungsexperimente mit Kindern und Jugendlichen durch, die von Geburt an blind sind (Nature vom 19. November 1998). Das Team verglich die Anzahl, die Häufigkeit und die Art der Gesten bei zwei Versuchsgruppen im Alter zwischen neun und neunzehn Jahren. Die erste Gruppe bestand aus Jugendlichen, die von Geburt an blind waren. In der zweiten Gruppe waren sehende Kinder, die denen der ersten Gruppe in Alter, Geschlecht und ethnischer Herkunft entsprachen. Es wurden bestimmte Logiktests durchgeführt, von denen man wußte, daß sie leicht erkennbare und vergleichbare Gesten provozieren würden.

Iverson und Goldin-Meadow fanden heraus, daß die blinden Teilnehmer die gleichen Gesten verwendeten wie die sehenden Versuchspersonen. Die Bewegungen ähnelten sich mehr oder weniger in Form und Häufigkeit. Das galt selbst dann, wenn die erzählenden Blinden zu ebenfalls blinden Zuhörern sprachen. Und wie zu erwarten, gestikulierten auch die sehenden Jugendlichen mit den Händen – unabhängig vom jeweiligen Gegenüber.

"Obwohl wir nur mit relativ kleinen Gruppen arbeiteten, lassen diese Beobachtungen doch sehr stark vermuten, daß Gesten und Sprache 'Hand in Hand' gehen", erläutert Iverson. "Unsere Forschung wurde zum Teil durch die Beobachtung inspiriert, daß die Menschen mit ihren Händen hin- und herfuchteln, während sie telefonieren. Wir haben aber bewußt die Verwendung von Gesten durch junge, von Geburt an blinde Menschen erforschen wollen, denn diese Menschen hatten sicher keine Gelegenheit, Gesten von anderen abzuschauen." Die redebegleitende Verwendung von Gesten der blinden Versuchsteilnehmer deutet darauf hin, so die Schlußfolgerung des Teams, daß Gesten nicht nur das Produkt von Kultur oder Notwendigkeit sind. Vielmehr reflektieren sie das dem Reden vorausgehende Denken oder ermöglichen dieses sogar erst.

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