Direkt zum Inhalt

News: Die Sterne stehen schlecht für die NASA

Was ist bloß los mit der NASA? Kaum ein Monat verstreicht, ohne dass die weltgrößte Raumfahrtorganisation eine neue Panne eingestehen muss. Erst im März zerlegte sich die Sonde HESSI (High Energy Solar Spectroscopic Imager) auf dem Prüfstand in ihre Bestandteile, weil die Testbelastung zu hoch eingestellt wurde. Damit liegt diese Mission vorerst auf Eis, wie auch der Flug von Mars 2001 Lander, der eigentlich im nächsten Jahr starten sollte. Angesichts des endlich veröffentlichten Untersuchungsberichts über den Verlust des Mars Polar Lander im Dezember 1999, machten die Verantwortlichen jetzt diesen Rückzieher und verschafften sich so eine kleine Atempause, um eine neue Strategie zu finden.
"Schneller, besser, billiger", das war die Losung – von der NASA ausgegeben, als sie mal wieder schwer gebeutelt wurde. Die Challenger-Katastrophe seinerzeit rüttelte die fortschrittsgläubigen, erfolgverwöhnten Raumfahrer gehörig auf. Mit einer smarten Eroberung des Alls wollten sie den Imageverlust ausbügeln und erneut Vertrauen aufbauen. Die Global Surveyor-Mission zum Mars und der Pathfinder-Flug beschieden dem Konzept dann auch den gebührenden Erfolg. Doch hielt die Glückssträhne nicht lange an.

Die beiden Deep Space-Sonden gingen irgendwo in den unendlichen Tiefen des Alls verloren. Der Mars Climate Orbiter verglühte in der Mars-Atmosphäre, weil metrische und angelsächsische Maßeinheiten verwechselt wurden. Mars Polar Lander (MPL) schließlich, und das macht wirklich betroffen, betätigte womöglich beim Ausfahren der Landebeine in luftiger Höhe den Mikroschalter, der die Bremstriebwerke abschaltet. Nur ein paar Augenblicke später dürfte das kleine Raumschiff auf der Oberfläche zerschellt sein.

Keine Sicherheitschaltung bewahrte ihn vor dem Unglück. Kein Backup-System überwachte die Entscheidung. Die NASA-Forscher können sich nicht einmal ganz sicher sein, ob es wirklich an diesem Fehler lag oder doch eher an einem verklemmten Leitwerk, dass nur unter irdischen Bedingungen getestet wurde, nicht jedoch bei tiefen Minusgraden, wie sie in der Marsatmosphäre herrschen. Denn das Unglück ereignete sich genau in dem Zeitfenster, innerhalb dessen planmäßig kein Kontakt zur Sonde bestand, da so ein weiteres Funkgerät eingespart werden konnte. Unterm Strich wurden somit rund 300 Millionen Dollar verkokelt, respektive in den Sand gesetzt.

Experten, die an erfolgreichen Marsmissionen beteiligt waren, führen das Versagen auf unqualifiziertes und unerfahrenes Personal zurück. Zu diesem Urteil kommt auch der Abschlussbericht des Mars Programm Independent Assessment Team (MPIAT), das man auf die Suche nach den Ursachen für die Pannenserie geschickt hatte. Über 80 fragwürdige Details fand das unabhängie Gremium bei seinen Recherchen und gibt der NASA in ihrer Zusammenfassung 40 Lektionen mit auf den Weg.

Thomas Young, Leiter des MPIAT, fasst die Ursachen der zurückliegenden Fehlschläge zusammen: Schlechte Bezahlung ließ die Mitarbeitermotivation sinken und führte dazu, dass erfahrene Kräfte abwanderten, wenn sie nicht ohnehin der personellen Verschlankung der Behörde zum Opfer fielen. Neue Mitarbeiter wurden nur ungenügend eingearbeitet. Der hohe Kostendruck schließlich hatte zur Folge, dass Sicherheitsreserven eingespart wurden, Testreihen ausfielen und auf der Führungsebene überstürzte Fehlentscheidungen getroffen wurden.

Die NASA ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit solcherlei Problemen herumschlagen muss. Allerdings verzeiht die komplexe Raumfahrttechnologie keinerlei Fehler. Die NASA-Strategie steht demnach am Scheideweg. Thomas Young lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Erkundung des Mars weiter gehen sollte. Das MPIAT ist zuversichtlich, dass alle erkannten Fehler in kurzer Zeit korrigierbar sind und das vorgesehene Mars-Programm fortgesetzt werden kann. Aber immer auf dem Boden der Tatsachen und nicht wieder übereilt und auch nicht gar zu billig. Das Budget für das Mars-Programm 98 war 30 Prozent zu niedrig, schätzen die Experten. Und einen besonderen Tipp hat die Untersuchungskomission noch für die NASA: "Nicht starten, bevor nicht wirklich alles fertig und getestet ist". Dann könnte das geschmeidige Leitmotiv "schneller, besser, billiger" zukünftig wieder ziehen. Und vielleicht auch durch ein "erfolgreich" ergänzt werden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.