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News: Die Tür vor der Nase zugeschlagen

Heutige Medikamente zur Behandlung einer HIV-Infektion greifen das Virus erst nach der Infektion der Zellen an. Eine amerikanischen Forschergruppe hat nun einen Weg entdeckt, wie sie ein Eindringen des Virus in die Zelle verhindern kann. Ein kleines Molekül aus ungewöhnlichen Aminosäuren blockiert den Erreger, indem es an seine Hülle bindet. Damit kann er die Zellen nicht mehr infizieren.
Eine kleine Tasche in einem Protein der Virenhülle könnte das Ziel von neuen Medikamenten im Kampf gegen das HI-Virus sein. Wissenschaftler vom Whitehead Institute for Biomedical Research und dem Howard Hughes Medical Institute haben herausgefunden, welche Moleküle an diese Tasche binden und so das Virus hindern, in die Zelle einzudringen. Anders als bisher verwendete Medikamente, welche das Virus in anderen Stadien seines Lebenszyklus angreifen, könnten diese Substanzen eine Infektion der Zellen von vornherein verhindern (Cell vom 1. Oktober 1999).

Das Hüllenprotein gp41 ermöglicht dem HI-Virus, in Zellen einzudringen. Schon seit längerer Zeit wird daher nach einem Stoff gesucht, der dieses Protein blockiert und so den Vorgang verhindert. Bei röntgenkristallographischen Aufnahmen zum strukturellen Aufbau des Proteins entdeckten die Wissenschaftler eine kleine Tasche, die sich als Ziel für einen solchen Stoff anbietet. Es stellte sich jedoch die Schwierigkeit, daß diese Tasche nur vorübergehend exponiert wird.

Die Forscher um Peter S. Kim stellten deshalb ein Stück des Hüllenproteins her, in dem die Tasche richtig ausgebildet ist. Mit einem sogenannten mirror-image phage display ermittelten sie Moleküle, die in die Tasche 'passen' würden. Diese Methode nutzt die Tatsache, daß alle Proteine und Enzyme in zwei spiegelbildlichen Formen vorliegen können. In der Natur sind Proteine vorwiegend aus L-Aminosäuren aufgebaut, ihr jeweiliges Spiegelbild dazu sind die D-Aminosäuren. Die L-Formen sind als Medikamente ungeeignet, da sie im Körper von Verdauungsenzymen abgebaut werden und auch Immunreaktionen auslösen können. Die D-Formen hingegen werden nicht angegriffen und sind so erfolgreiche Bausteine für Medikamente. Cyclosporin, ein Medikament, das die Immunreaktion bei Nierentransplantationen unterdrückt, funktioniert nach diesem Prinzip.

Nachdem die Wissenschaftler D-Peptide, also kurze Ketten von D-Aminosäuren, identifiziert hatten, welche an die Tasche binden, überprüften sie mit Röntgenkristallographie, daß die Moleküle sich ausschließlich an die Tasche und nicht womöglich an anderen Stellen anlagerten. Außerdem versicherten sie sich, daß damit die Infektion der Zellen mit dem HI-Virus unterdrückt wird. "Unsere Entdeckung, daß ein allein an die HIV-Tasche bindendes Molekül die HIV-Infektion verhindern kann, liefert den Beweis, daß grundsätzlich ein Eindringen des HIV durch solche Moleküle, die an Taschen binden, verhindert werden kann", meint Kim. Diese Erkenntnis ist besonders wichtig für die Entwicklung von Medikamenten, die oral eingenommen werden, was von Ärzten wie von Patienten bevorzugt wird. Normalerweise dürfen diese Stoffe aber nur eine geringe molekulare Masse von unter eintausend Dalton haben. Gängige Mittel, mit denen bisher das Eindringen des Virus unterbunden wird, sind jedoch deutlich größer und müssen den Patienten daher gespritzt werden. Die von Kims Team entdeckte Tasche ist jedoch so klein, daß Moleküle mit 500 Dalton bereits ausreichen, um die Aktivität des Proteins zu hemmen.

Eine weitere wichtige Eigenschaft der Proteintasche ist, daß sie sehr konservativ innerhalb verschiedener Stämme des HI-Virus ist. So könnte ein Medikament allein gegen verschiedene Varianten des Virus eingesetzt werden, und die Gefahr der Resistenzbildung wäre herabgesetzt. Obwohl die momentan verwendeten Kombinationen an Behandlungsmitteln noch erfolgreich sind, beobachten Wissenschaftler und Ärzte zunehmend Resistenzen verschiedener Stämme gegen die eingesetzten Medikamente. Ein weiterer Weg im Kampf gegen das Virus könnte hier also ein großer Vorteil sein.

Momentan werden in der HIV-Behandlung vor allem zwei Wege eingeschlagen. Eine Klasse von Medikamenten umfaßt Protease-Inhibitoren, welche die HIV-Protease hemmen. Eine zweite Klasse sind Hemmer des viruseigenen Enzyms Reverse Transkriptase. Alle diese Medikamente greifen das HI-Virus jedoch erst nach dem Eindringen in die Zelle an. Andere Stoffe, die den Weg des Virus in die Zelle verhindern, werden zur Zeit an Zellkulturen und in ersten klinischen Versuchen erprobt. Ihre Nachteile sind jedoch zum einen ihre Größe – sie sind mit etwa 4000 Dalton für orale Medikamente ungeeignet – und die sehr hohe Dosis, die benötigt wird.

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