Direkt zum Inhalt

Zusammenhänge im Ökosystem: Die unterschätzte Bedeutung von Nilpferdkot

Nilpferde fressen, verdauen und scheiden aus - alles in größerem Umfang. Ohne sie würde dem Ökosystem noch viele Kilometer flussabwärts etwas fehlen.
Plantschendes Nilpferd

Wie jedes Ökosystem funktioniert auch die Landschaft der afrikanischen Flüsse und Seen über den Austausch und die Beziehungen aller Lebewesen: Fällt nur ein Mitspieler aus, dann geht es den anderen schlechter. Dies unterstreicht eine internationale Forschergruppe am Hin und Her von Flusspferdkot. Der enthält Silizium aus den vom Hippos an Land verschlungenen Gräsern und fungiert als kaum verzichtbarer Dünger für wachsende Pflanzen. Ohne den typischen Lebensstil der Flusspferde als lebende Umwälzpumpen zwischen Land und Fluss würde der Rohstoff nicht in ausreichender Menge vom Land in die Flusssysteme gelangen.

Die Details des Siliziumtransportes per Hippokot beschreibt Jonas Schoelynck von der Universität Antwerpen in einer im Fachjournal »Science Advances« erschienen Studie, an der unter anderem auch Forscher vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam beteiligt waren. Wild lebende Nilpferde fressen nachts Dutzende Kilogramm frisches Gras in den Savannen, verbringen den Tag dann aber in Flussläufen oder Seen, wo sie in Gruppen vor Feinden besser geschützt sind. Hier werden sie zudem große Mengen an Nilpferdgülle los, die im Extremfall durchaus zum Schaden des flussabwärts liegenden Naturraums werden können. In jedem Fall aber transportieren sie – anders als andere große Pflanzenfresser – Nährstoffe vom Land in den Fluss.

Die Bedeutung dieser Nilpferdpumpe können die Forscher nun nach einer Expedition zum Mara River im Masaai Mara Nature Reserve in Kenia und Laboranalysen erstmals einigermaßen genau abschätzen. Vor allem das im Gras der Savanne enthaltene Silizium sei dabei für das Ökosystem wichtig, so Schoelynck: »Die Gräser nehmen dieses Silizium aus dem Grundwasser auf. Es gibt ihnen die nötige Festigkeit, schützt sie vor Krankheiten und in begrenztem Maße vor der Beweidung durch Kleintiere.« Mit Hilfe von Analysen der Isotopenzusammensetzung des Siliziums in Proben von Pflanzen, Wasser und Nilpferdexkrementen konnten die Forscher einen chemischen Fingerabdruck erstellen und damit nachzeichnen, wie sich Silizium im Ökosystem bewegt.

Im Südwesten Kenias nahmen die grasenden Tiere demnach über die von ihnen vertilgten Pflanzen täglich insgesamt 800 Kilogramm an Silizium auf. Davon landeten täglich 400 Kilogramm über die Ausscheidung mit dem Nilpferdkot im Wasser. Damit wird der Prozess in seiner Größenordnung zum Schlüsselfaktor im biogeochemischen Siliziumkreislauf bestimmter Gebiete. In der Vergangenheit wurde er allerdings einfach übersehen, erklärt Patrick Frings vom GFZ: »Bisher ging man nicht davon aus, dass weidende Wildtiere einen solchen Einfluss auf den Siliziumtransport vom Land in Seen haben könnten.«

Demnach übernehmen die Nilpferde – von denen afrikaweit in den vergangenen Jahrzehnten bis zu 90 Prozent ausgestorben sind – eine bis dato unterschätzte Mittlerfunktion im Ökosystem. Silizium ist lebensnotwendig für Kieselalgen und andere Einzeller in Fluss und See, die dort die Basis der Nahrungskette bilden. Ein Siliziummangel könnte hier das gesamte Nahrungsnetz beschädigen. Im Untersuchungsgebiet der Forscher könne der Viktoriasee, in den der Mara River mündet, mit seiner aktuellen Siliziumversorgung zwar noch mehrere Jahrzehnte überdauern, fasst Schoelynck zusammen – »auf lange Sicht aber gibt es wahrscheinlich ein Problem. Wenn die Kieselalgen nicht genügend Silizium bekommen, werden sie durch Schädlingsalgen ersetzt, die alle möglichen unangenehmen Folgen haben, wie etwa Sauerstoffmangel und ein damit verbundenes Fischsterben. Und das Fischen ist eine wichtige Nahrungsquelle für die Menschen am Viktoriasee.«

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.