Direkt zum Inhalt

News: Die Urväter der Kunst

Wenn man heute den Begriff Kunst hört, denkt man meist erst an die Kunst der letzten Jahrhunderte - vielleicht an Werke von Picasso, Tizian und Michelangelo. Doch immer neue Funde von Höhlenmalereien aus der Altsteinzeit zeigen, dass schon vor mehreren zehntausend Jahren die ersten Künstler tätig waren. Neue Ausgrabungen in Norditalien bestätigen nun, dass sich die Menschen schon viel früher, als man lange dachte, mit einer Kunst beschäftigten, die einen symbolischen Ausdruck suchte.
Vor sechs Jahren gelang französischen Archäologen ein sensationeller Fund. Im Tal der Ardèche entdeckten sie eine Höhle, die vor 32 000 Jahren mit zahlreichen Felsmalereien verziert worden war. Mit diesem hohen Alter war die "Chauvet-Grotte" lange der Rekordhalter unter den bemalten Höhlen. Doch italienische Wissenschaftler stießen bei Verona auf Darstellungen, die noch älter sein könnten. Alberto Broglio, Paläontologe von der Università degli Studi di Ferrara , und sein Team legten schon 1999 in der Fumane-Höhle bemalte Steinplatten frei, deren Bilder erst jetzt, nach der Restaurierung, gedeutet werden konnten.

Seit 1988 graben die Archäologen, unterstützt von Geologen der Universita degli Studi di Milano, in dieser Höhle, in der sie bereits auf viele Hinweise einer menschlichen Nutzung gestoßen sind – zahlreiche Steinwerkzeuge eingeschlossen. Die neu gefundenen Steinplatten waren dort einst von der Höhlendecke heruntergebrochen und über die Jahre am Boden unter Erdschichten begraben. Sie trugen nach der Bergung einen dünnen Kalkbelag, der die Bemalung mit rotem Ocker nur schlecht erkennen ließ. In diesem Sommer hatte ein Restaurator den Belag entfernt. Zum Vorschein kamen auf zwei der Platten ein vierbeiniges Tier und eine 18 Zentimeter große menschliche Figur, die einen Tierkopf trägt. Dieses Mischwesen kommt in anderen Höhlen in vergleichbarer Form ebenfalls vor und wird oft als "Zauberer" bezeichnet. Es stellte vielleicht einen Schamanen dar. Die Bilder auf drei anderen Platten konnten die Archäologen noch nicht erklären.

Die Steinplatten aus der Fumane-Höhle lagen in Sedimenten mit Resten von Pflanzen und Tierknochen. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode konnten die Forscher die Funde auf ein Alter von 32 000 bis 36 000 Jahre datieren. Damit sind die Fumane-Malereien wahrscheinlich älter als die in der Chauvet-Grotte mit 32 000 Jahren, deren zeitliche Einordnung aber nicht gesichert ist. Wie der Höhlenexperte Michel Lorblanchet von der Université de Toulouse Le Mirail sagt, wurden die Daten für die Chauvet-Bilder über die Datierung von Kohlepartikeln gewonnen, die direkt von den Höhlenwänden stammten. Dies ist jedoch eine sehr schwierige Technik, die zu fehlerhaften Ergebnissen führen kann. Nach Lorblanchets Beurteilung sind hingegen die Datierungen der Fumane-Bilder "praktisch sicher." "Die Chauvet-Grotte hat gezeigt, dass es bereits vor 32 000 Jahren eine sehr entwickelte Kunst gab", kommentiert er, "Mit den neuen Funden haben wir eine weitere Bestätigung." Sein Kollege Randall White von der New York University ergänzt:"Die Menschen hatten abstrakt Ideen von ihrer Welt, die wir nur als religiös bezeichnen können. Wir haben hier ein weit verbreitetes Glaubenssystem vor uns, das sehr alt ist."

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.