Direkt zum Inhalt

Neues Weltraumteleskop: Die Vermessung der Exoplaneten

Der Exoplaneten-Satellit CHEOPS ist erfolgreich gestartet. Er soll gezielt Größe und Dichte von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems bestimmen – ein wichtiger Schritt für die Jagd auf interessante Welten in den Tiefen des Alls.
Planetentypen, die Cheops untersuchen soll

Sciencefiction! Wissenschaftlich irrelevant! Antrag abgelehnt! Als Willy Benz im Jahr 2000 einen Forschungsschwerpunkt etablieren wollte, der Planeten in fernen Sonnensystemen untersucht, stieß der Schweizer Astrophysiker auf breite Ablehnung, auf Unverständnis, auf Kopfschütteln. Als Benz acht Jahre später dafür plädierte, einen Satelliten zum Studium genau dieser Exoplaneten zu bauen, fiel die Reaktion der Fachkollegen zwar etwas milder aus, das Ergebnis aber war das gleiche: Antrag abgelehnt!

Ende 2019 waren mehr als 4100 Planeten bekannt, die um andere Sterne als unsere Sonne kreisen. Das rasant wachsende Forschungsfeld ist gerade mit seinem ersten Nobelpreis ausgezeichnet worden. Und auch Benz’ Satellit steht – nach jahrelanger Wartezeit – endlich vor einer großen Zukunft.

Ein Stück Schweizer Nationalstolz

Am 18. Dezember 2019 ist der Exoplaneten-Späher CHEOPS erfolgreich von Französisch-Guayana aus ins Weltall gestartet. Der CHaracterizing ExOPlanets Satellite trägt augenscheinlich den Namen eines Pharaos aus dem alten Ägypten, der ungefähr 2580 v. Chr. herrschte. Wichtiger für die Schweizer Erfinder von CHEOPS soll gewesen sein, dass der Name der Mission mit dem Landeskennzeichen CH beginnt.

Dreieinhalb Jahre lang wird der Satellit Sterne beobachten, die von fernen Planeten umkreist werden. Er wird darauf warten, dass sich diese Welten auf ihrer Umlaufbahn zwischen Stern und Erde schieben. Und er wird messen, wie stark das Sternenlicht durch diese Minisonnenfinsternisse abgeschwächt wird. Genau so, wie es das amerikanische Weltraumteleskop Kepler neun Jahr lang getan hat und dabei die bislang mit Abstand meisten Exoplaneten entdecken konnte. Und genau so, wie es Keplers Nachfolger TESS seit April 2018 macht, was zu bislang 37 bestätigten Planeten geführt hat.

Künstlerische Darstellung des CHEOPS-Satelliten

Doch eine Sache ist dieses Mal anders. »CHEOPS ist keine Entdeckungsmaschine«, sagt Willy Benz. Der Exoplaneten-Satellit soll keine unbekannten Planeten erspähen. Stattdessen wird das Weltraumteleskop Sterne ins Visier nehmen, die von bekannten Planeten mit bekannten Bahnen umkreist werden. Es soll die dabei entstehenden Minifinsternisse – Astronomen sprechen von Transits – vermessen. Dank seines 30 Zentimeter großen Teleskopspiegels kann CHEOPS aus der ermittelten Abschattung des Sternenlichts den Radius des vorbeiziehenden Exoplaneten berechnen.

Die Größe der Exoplaneten

Reine Planetenfinder wie TESS tun sich damit schwer. Das US-Weltraumteleskop hat lediglich einen zehn Zentimeter großen Teleskopspiegel an Bord. Das reicht, um die regelmäßige Abdunklung von Sternen zu erkennen und somit zuverlässig auf Transits von Exoplaneten zu schließen. Es reicht in vielen Fällen allerdings nicht, um deren Abmessungen exakt zu bestimmen.

Auch erdgebundene Teleskope sind in dieser Hinsicht keine große Hilfe. Die turbulente Erdatmosphäre, durch die sie blicken müssen, lässt das Sternenlicht so stark flackern, dass keine vernünftigen Aussagen zum Radius der Exoplaneten möglich sind. Erst mit der nächsten Generation wie dem Extremely Large Telescope soll sich das ändern.

Schon jetzt eröffnen die großen Teleskope am Boden andere Möglichkeiten: Kreist ein Planet um einen Stern, dann rotiert das gesamte System um den gemeinsamen Massenschwerpunkt, der etwas außerhalb der eigentlichen Rotationsachse des Sterns liegt. Von der Erde aus betrachtet, scheint sich solch ein Stern ständig zum Beobachter hin- und dann wieder wegzubewegen. Die Farbe seines Lichts verschiebt sich dabei leicht, ähnlich der Tonhöhe der Sirene eines vorbeifahrenden Krankenwagens.

Mit dieser so genannten Radialgeschwindigkeitsmethode konnten bereits die frisch gekürten Schweizer Nobelpreisträger Michel Mayor und Didier Queloz 1995 den ersten Exoplaneten im Orbit eines sonnenähnlichen Sterns aufspüren. Und sie kann noch mehr: Aus der Stärke des Wackelns lässt sich die Masse der Exoplaneten berechnen.

Genau hier will CHEOPS mit seiner Bestimmung des Planetenradius anknüpfen. Denn sind sowohl Größe als auch Masse eines Himmelskörpers bekannt, lässt sich daraus die mittlere Dichte berechnen. Die wiederum kann Aufschluss über die Zusammensetzung eines Exoplaneten geben: Handelt es sich um einen leichten Gasplaneten? Hat er einen schweren Eisenkern? Besteht er hauptsächlich aus felsigem Gestein? Verfügt er über Ozeane oder sogar über eine dünne Atmosphäre, die die Dichte wieder senken würde?

Die von CHEOPS gemessenen Werte werden hierauf zwar keine definitiven Antworten liefern, da theoretisch zu viele Kombinationen denkbar sind. Sie eröffnen aber bislang ungeahnte Möglichkeiten: »Man kann damit anfangen zu rechnen«, sagt Benz, Institutsdirektor an der Universität Bern. »Man kann ermitteln, welche Zusammensetzungen und inneren Strukturen überhaupt möglich sind.«

Schweben in der ewigen Morgendämmerung

Dafür werden allerdings extrem genaue Messungen benötigt: Zieht ein erdähnlicher Planet vor einem sonnenähnlichen Stern vorbei, hält er lediglich 0,01 Prozent des Lichts zurück. Zur Bestimmung des Radius muss CHEOPS noch fünfmal präzisere Werte liefern. Keine Lichtquelle darf dabei stören.

Die 700 Kilometer hohe Umlaufbahn, die der Satellit nach seinem Start mit einer Sojus-Rakete einschlagen soll, wurde daher so gewählt, dass CHEOPS stets in der Morgendämmerung unterwegs ist und dabei unbeirrt in Richtung der dunklen Seite der Erde blickt. Eine Art Kragen um das Teleskop soll zudem Streulicht abhalten. Funktioniert alles wie geplant, dann wird der Fehler bei der Radiusmessung eines erdähnlichen Planeten, so Benz, kleiner sein als zehn Prozent.

CHEOPS im Labor

Und das, obwohl CHEOPS eine Art Sparmission ist. Der knapp 300 Kilogramm schwere Satellit ist erster Vertreter einer neuen Klasse von Missionen, die die Europäische Raumfahrtagentur ESA vor einigen Jahren ins Leben gerufen hat: S-Klasse-Missionen, wobei das S für »small« steht – für klein. Klein ist zum einen die Vorbereitungszeit: Innerhalb von fünf Jahren müssen die Missionen startklar sein.

Und klein ist auch das Budget: Maximal 50 Millionen Euro dürfen S-Klasse-Missionen die ESA kosten. Im Fall von CHEOPS hat die Schweiz noch einmal 30 Millionen Euro draufgelegt. Andere europäische Staaten, darunter Deutschland, steuerten weitere 20 Millionen Euro bei, so dass CHEOPS letztlich etwa 100 Millionen Euro kosten wird.

An den Start mit einer eigenen Rakete ist für diesen Betrag nicht zu denken. CHEOPS musste vielmehr auf eine Mitfluggelegenheit mit einem anderen, größeren Satelliten warten. Es ist schließlich ein italienischer Erdbeobachtungssatellit geworden, der allerdings etwas länger brauchte. Der ursprüngliche Starttermin Ende 2018 war somit nicht zu halten. »An uns lag’s nicht«, sagt der Schweizer Benz. »Wir waren pünktlich – und wir sind im Budget geblieben.«

400 helle Sterne im Visier

Im All angekommen, soll CHEOPS etwa 400 helle, nahe Sterne ins Visier nehmen. Vorläufig. Zusammengestellt wurden sie von dem Wissenschaftsteam unter Leitung des Nobelpreisträgers Queloz. »Es ist eine dynamische Liste«, sagt Willy Benz. »Sie wird sich noch ändern, je nachdem, welche Planeten in nächster Zeit entdeckt werden.«

Besonders interessant sind dabei Kandidaten, die womöglich eine Atmosphäre besitzen. Denn CHEOPS kann nicht nur Radien vermessen, das Teleskop kann noch mehr: Wenn sich ferne Planeten auf ihrer Umlaufbahn neben ihrem Stern befinden, reflektieren sie einen Teil des Sternenlichts zur Erde – ähnlich einer Mondsichel. Kurz bevor sie hinter dem Stern verschwinden, fällt diese Reflexion am stärksten aus.

CHEOPS ist empfindlich genug, um dies zu registrieren. Die Forscher hoffen, daraus Informationen über Verhältnisse auf dem Exoplaneten gewinnen zu können. Helle Wolken würden zum Beispiel deutlich mehr Sternenlicht reflektieren als ein wolkenloser Himmel oder gar eine fehlende Atmosphäre.

»Eines der Ziele von CHEOPS ist eine Liste solch höchstinteressanter Planeten, die anschließend mit neuen, größeren Teleskopen untersucht werden können«, erläutert Benz. Im März 2021 soll hierfür das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) starten, und 2025 soll in Chile das Extremely Large Telescope (ELT) in Betrieb gehen.

Beide könnten in der Lage sein, Spuren von Leben in der Atmosphäre eines Exoplaneten zu entdecken. Nur, bei welchem Planeten? »Diese neuen Teleskope sind so groß, so teuer, da wird die Nachfrage sehr hoch sein«, sagt Benz. »Alle wollen Beobachtungszeit beim JWST, alle wollen Zeit am ELT.« CHEOPS soll helfen, hier die richtigen Prioritäten zu setzen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.