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News: Die Vernichtung einer Art

Erstmalig ist es der Wissenschaft gelungen, eine Infektion zu dokumentieren, die eine ganze Spezies ausgelöscht hat, in diesem Fall eine Art der Landschnecken. Dies macht deutlich, wie wichtig der Schutz vor Infektionskrankheiten gerade dann ist, wenn als gefährdete Arten eingestufte Tiere in Gefangenschaft gezüchtet werden.
Die Landschnecken des Südpazifiks sind ohnehin eher selten, in den letzten Jahrzehnten jedoch ging ihr Bestand besonders stark zurück. 1986 begannen die Einwohner von Raiatea (in der Society Island-Kette, etwa 500 km südlich von Hawaii gelegen) mit dem Import von Raubschnecken, um eine andere schädliche Schneckenart zu bekämpfen. Wie sich indes herausstellte, zogen die Raubschnecken bei ihrer Nahrung den Geschmack der einheimischen Vettern vor, und 1991 hatten sie eine spezielle Art von Landschnecken – Partula turgida – fast vollständig ausgelöscht. Die letzten Exemplare der P. turgida wurden eingefangen, um sie in Gefangenschaft zu züchten und somit zu retten.

Vor vier Jahren jedoch begannen diese Schnecken, aus mysteriösen Gründen zu sterben. Als die Population von 296 Tiere auf weniger als zehn gesunken war, machten sich der Parasitologe Peter Daszak von der Kingston University in England und der Veterinärpathologe Andrew Cunningham vom Institute in Zoology in der University of London daran, den Grund für das Schneckensterben herauszufinden.

Noch bevor sie das Rätsel lösen konnten, waren jedoch alle verbliebenen Schnecken gestorben. Als die letzten fünf Schneckenkörper geöffnet wurden, machte Cunningham eine für ihn seltsame Entdeckung: In den Verdauungsdrüsen und Fortpflanzungstrakten fand er Spuren von protozoenähnlichen Sporen. Diese Erkenntnis legte nahe, daß die Schnecken durch einen Parasiten infiziert worden waren. Daszak untersuchte die Sporen unter einem Elektronenmikroskop und entdeckte spiralförmige Röhren – ein Kennzeichen der Microsporidia, einer Protozoenfamilie, die Seeschnecken infiziert. Ein eingehenderes Studium enthüllte, daß die Sporen zu einer neuen Microsporidia-Art der Gattung Steinhausia gehörten. Diese Beweise überzeugten Cunningham und Daszak davon, daß die Schnecken wirklich durch die Parasiten ausgelöscht wurden. Da letztere keine anderen Landschnecken infizieren, haben sie, Daszak zufolge, durch das Ausrotten der P. turgida vermutlich ihr eigenes Schicksal besiegelt.

"Es ist sehr gut, daß endlich jemand ein konkretes Beispiel für eine Infektionskrankheit gefunden hat, die eine ganze Spezies vernichtete", erklärt der Ökologe Andy Dobson von der Princeton University. Er und andere Experten sind der Meinung, daß diese Entdeckung bei Programmen zum Schutz von gefährdeten Arten beachtet werden muß: Sie zeigt, wie wichtig es ist, die Todesursache von einzelnen Tieren stets genau zu beobachten. Und sie zeigt auch, daß durch solche Programme das Überleben gefährdeter Tiere keinesfalls gesichert ist.

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