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News: Die Vielfalt macht gefährlich

Wenn Wissenschaftler berichten, dass sie das Genom eines Bakteriums vollständig sequenziert haben, sorgt das kaum noch für Aufsehen. Es sei denn, es handelt sich dabei um einen gefährlichen Krankheitserreger aus der Verwandtschaft von Escherichia coli. Und wenn die Forscher dann auch noch feststellen, dass das Erbgut des Erregers sehr viel variabler ist als erwartet, dann horchen ihre Kollegen auf.
Und wieder ist das Genom eines Bakteriums vollständig sequenziert. Diesmal handelt es sich um das Erbgut des Escherichia-coli-Stammes O157:H7, eines gefährlichen Verwandten unserer harmlosen Darmbewohner. Er löste 1982 durch verunreinigtes Fleisch einen Krankheitsausbruch aus, und auch in den vergangenen Jahren sorgte er immer wieder für Fälle von hämorrhagischem Durchfall und Nierenschäden verschiedenster Art. Allein in den USA werden jährlich 75 000 Menschen mit dem Erreger infiziert. Die Folgen sind nur schwer zu behandeln, denn offenbar sorgen Antibiotika dafür, dass das Bakterium quasi als letzten Akt vermehrt Gifte ausschüttet, die dem Körper schaden.

Wissenschaftler um Frederick Blattner von der University of Wisconsin-Madison entzifferten die Gensequenz des Bakteriums mit Hilfe einer neuen Methode namens optical mapping. Dafür werden die DNA-Moleküle gestreckt und auf einer geeigneten Oberfläche angeheftet. Erst dann schneiden Enzyme das Molekül in Stücke, wodurch die Reihenfolge der anschließend sequenzierten Fragmente bekannt ist. Mit einem Fluoreszenzmikroskop lassen sich dann einzelne DNA-Moleküle betrachten.

Die Forscher verglichen das etwa 5000 Gene umfassende Erbgut mit dem Genom eines harmlosen Laborstammes von E. coli. Zu ihrer großen Überraschung entdeckten sie dabei markante Unterschiede. O157:H7 besitzt allein fast 1300 Gene mehr als sein ungefährlicher Verwandter, der selbst nur etwa 530 Gene aufweist, die es nicht mit dem anderen teilt (Nature vom 25. Januar 2001). Viele der neuen Gene von O157:H7 stammen wahrscheinlich von anderen Bakterien. Blattner vermutet, dass Bakteriophagen – Viren, die ausschließlich Bakterien befallen – das Transportvehikel spielten. Die neu erworbenen Gene breiten sich in einer bakteriellen Lebensgemeinschaft schnell aus, da die einzelnen Zellen beständig Teile ihres Erbgutes untereinander austauschen können.

Einige dieser Gene könnten auch erklären, warum der Erreger so virulent ist. E. coli stellt zwei giftige Verbindungen her, die Shiga-Toxine, welche die Nieren dauerhaft schädigen. Zusätzlich scheint O157:H7 sich noch eine Reihe weiterer Gene für Gifte einverleibt zu haben, denn ersten Sequenzanalysen zufolge sind ein paar der neuen Erbgutschnipsel den Genen für Gifte in anderen Krankheitserregern sehr ähnlich. Außerdem entdeckten die Forscher auch einige Gene, die es dem Bakterium offenbar ermöglichen, einem Fieber zu widerstehen, das der Körper als Immunreaktion einleitet. Doch gegen das Erhitzen beim Kochen konnte sich der Erreger noch nicht schützen.

Die Gensequenz ermöglicht es Wissenschaftler aber nicht nur, Gene für bestimmte Proteine zu finden. Sie haben nun auch eine ganze Reihe an charakteristischen Merkmalen des Erbgutes in der Hand, mit der sie die Mikroben in Nahrungsmitteln oder der Umwelt leichter nachweisen können. Auch können sie sich nun auf die Suche nach einem Impfstoff machen, mit dem sie den Erreger in Rindern oder anderen Tieren bekämpfen, damit er erst gar nicht in die menschliche Nahrung gelangt.

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