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News: Die Welt aus zwei Nucleinsäuren

Reichten der altertümlichen RNA-Welt zwei Bausteine, um aus ihnen funktionsfähige Enzyme zu bilden?
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Um die Zwischenschritte auf dem Weg vom biologischen Nichts zu komplexen Lebensformen zu rekonstruieren, ist Phantasie nötig. Keine Fossilien weisen den Forschern die Spuren des allerersten Lebens auf der Erde. Die ersten steinernen Nachweise stammen von Stromatolithen, kalkigen Ablagerungen von Bakterien, die unserem heutigen Auge zwar sehr simpel erscheinen, es aber nicht sind. Schließlich besaßen sie schon einen Stoffwechsel, konnten Energie gewinnen und sich vermehren.

Etwas viel Einfacheres muss vor den Bakterien auf der frischen Erde die ersten Schritte in Richtung Leben gewagt haben. Die Frage, ob hierbei die Erbinformation zuerst da war und die Grundlage für die Proteine legte, oder ob funktionsfähige Proteine Voraussetzung für die Weitergabe der Erbinformation sind, wurde – zumindest vorübergehend – gelöst. Der Preis gehört der Ribonucleinsäure, denn Forschungsergebnisse der letzten Jahre deuten auf eine frühe RNA-Welt hin, in der RNA-Enzyme als katalytische Moleküle arbeiteten und RNA-Nucleotide gleichzeitig die genetische Information für die Nachwelt speicherten.

Doch brauchte die altertümliche RNA-Welt wirklich alle vier heute vertretenen Nucleotide? Oder könnte sie auch mit weniger Bausteinen ausgekommen sein? Wo liegt die untere Grenze für das chemisch Machbare? Diese Frage stellten sich die Molekularbiologen John Reader und Gerald Joyce vom Scripps Research Institute.

Bereits vor einigen Jahren gelang Joyce ein Schritt in diese Richtung. Er konnte ein Nucleotid streichen, als er zeigte, dass RNA-Enzyme lediglich drei Basen als Bestandteile benötigen: Adenin, Uracil und Guanin. Auf Cytosin konnten die "C minus"-Enzyme getrost verzichten und dabei trotzdem katalytische Arbeit verrichten. Nun haben Joyce und Reader die Bausteine noch weiter eingeschränkt und ein binäres System entworfen.

Auf dem Weg dahin bauten sie zuerst ein aus den drei Basen Adenin, Uracil und Guanin bestehendes Enzym und wandelten dann alle Adeninbasen durch chemische Manipulationen in Diaminopurin um – eine modifizierte Form von Adenin. Anschließend entfernten sie durch biochemische Reaktionen alle Guaninbasen aus dem Enzym. Übrig blieb ein Code aus zwei Buchstaben statt den üblichen vier.

Das dabei entstandene Enzym entspricht in der Funktion einer Polymerase, das heißt, es nutzt Stränge der Erbinformation in Form von DNA oder RNA und macht nach diesen Vorlagen Kopien. Im Reagenzglas faltete sich das binäre Enzym zuerst in eine aktive dreidimensionale Gestalt und nutzte anschließend Abschnitte seines Strangs als Vorlage für eine Kopie. Letztendlich baute die binäre Polymerase ein neues RNA-Molekül nach ihrem eigenen Vorbild, das natürlich ebenfalls nur aus zwei Nucleotiden besteht.

Und damit sind die beiden Molekularbiologen an der unteren Grenze des Machbaren angelangt. "Niemand wird dies jemals übertreffen, da binäre Systeme die einfachste Form von Informationsverarbeitung sind", beschreibt Joyce die Ergebnisse. "Zwei unterschiedliche Untereinheiten sind die minimale Anzahl, die man für eine Evolution nach Darwin benötigt." So einfach kann also die Welt sein, erstaunlich.

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