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News: Die Wirksamkeit genetisch unpassender Knochenmarktransplantate

Für viele Leukämiepatienten ist eine Knochenmarkstransplantation die einzige Hoffnung. Leider findet sich in 40 Prozent der im Endstadium der Krankheit befindlichen Fälle kein genau passender Spender unter den Verwandten oder in den Spenderbanken. Einer neuen Studie zufolge kann vielen Patienten aber auch mit Zellen geholfen werden, die nur teilweise genetisch passen.
Nun haben Wissenschaftler vom israelischen Weizmann-Institut und der Universität Perugia in Italien mit Hilfe einer von ihnen entwickelten Methode gezeigt, daß Transplantate mit nicht genau passendem Knochenmark ebenso wirksam sein können wie jene, bei denen Spender und Empfänger genau zusammenpassen. Das Ergebnis ihrer jüngsten Studie, die im New England Journal of Medicine vom 22. Oktober 1998 erschienen ist, gibt zur Hoffnung Anlaß, daß eines Tages für fast jeden Kandidaten ein Spender für das notwendige Knochenmark gefunden werden kann.

Normalerweise gelten Spender und Empfänger als kompatibel, wenn alle sechs immunologischen Marker auf ihren Chromosomen übereinstimmen – drei davon stammen aus dem mütterlichen, drei aus dem väterlichen Erbgut. Bei der Methode, die ein Team unter der Leitung von Prof. Yair Reisner von der Abteilung Immunologie am Weizmann-Institut und Dr. Massimo Martelli vom Policlinico Monteluce in Perugia entwickelt wurde, müssen bei Spender und Empfänger nur drei Marker übereinstimmen. Solch eine teilweise Übereinstimmung findet sich immer bei Eltern und Kindern, die Wahrscheinlichkeit zwischen Geschwistern beträgt 75 Prozent. Selbst im weiteren Familienkreis ist die Chance, einen Spender zu finden, relativ groß.

Ein wichtiges Element bei der Weizmann-Perugia-Methode ist die Anwendung extrem großer Mengen von Spendermark die die Abstoßungsmechanismen des Empfänger buchstäblich überwaltigen. Der Spender wird mit Hormonspritzen behandelt, die große Mengen von Stammzellen aus dem Knochenmark in den Blutkreislauf freisetzen. In der Leukapherese werden dann Stammzellen selektiv aus dem Spenderblut gefiltert, das restliche Blut wird wieder dem Spender zugeführt. In einem weiteren wichtigen Schritt werden die Stammzellen dann "gereinigt", um jene Charakteristika auszuschalten, die zu einer Abstoßung nicht passender Transplantate beitragen.

In der neuen Studie hat das italienisch-israelische Team Dutzende solcher "unpassender" Transplantationen verfolgt, die zwischen 1995 und 1997 an Patienten mit hochriskanter, akuter myeloischer Leukämie oder akuter lymphatischer Leukämie durchgeführt wurden. Von den 43 behandelten Patienten waren 12 (28 Prozent) bei der Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse symptomfrei (8 bis 30 Monaten nach der Transplantation). Um diese Zahl richtig einzuschätzen, muß man bedenken, daß sämtliche dieser Patienten auf alle anderen Behandlungen nicht angesprochen hatten und ohne Transplantation sicherlich gestorben wären. Die übrigen Patienten erlitten ein Rezidiv oder waren an der Krankheit oder an Komplikationen im Zuge der Transplantation gestorben. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Erfolgsquoten bei Transplantationen mit voller Markerübereinstimmung in dieser Patientenkategorie.

Nach Meinung der Wissenschaftler zeigt diese Untersuchung, daß ihre Methode die wichtigen Hindernisse überwindet, die bisher die Anwendung nicht voll übereinstimmender Transplantate einschränkte – nämlich ein Mißlingen der Übertragung oder eine immunologische Abstoßung. "Da die meisten Patienten einen Verwandten mit teilweiser Markerübereinstimmung haben (der als Knochenmarksspender in Frage kommt), werden Fortschritte auf diesem Gebiet die Verfügbarkeit einer Transplantation als Heiltherapie erheblich erhöhen", schließen die Wissenschaftler ihren Bericht.

Mehrere Krankenhäuser in Israel, Deutschland und den USA haben mit der Einführung der Perugia-Weizmann-Transplantationsmethode begonnen. Im Januar 1999 werden Prof. Reisner und Dr. Martelli ein internationales Symposium in Eilat (Israel) abhalten, zu dem 60 Ärzte, die an der Anwendung der neuen Methode interessiert sind, erwartet werden. Die Teilnehmer, überwiegend Leiter der Transplantationsabteilungen ihrer jeweiligen Krankenhäuser, werden aus Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Israel, Italien, Spanien, der Schweiz, Holland, England und den USA kommen.

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