Dinosaurier: Nanotyrannus ist doch kein junger T. rex

Und es gibt ihn doch! Zu diesem Schluss kommen Lindsay Zanno und James Napoli im Hinblick auf einen der umstrittensten Dinosaurier: Nanotyrannus lancensis, eine mit Tyrannosaurus rex verwandte Spezies, die mit diesem zusammen in der späten Kreidezeit lebte. Die beiden Paläontologen untersuchten ein zuvor unbekanntes, komplettes Dinosaurierskelett. Außerdem verglichen sie es mit über 100 verfügbaren Fossilien aus der Familie der Tyrannosauroiden. Dabei machten sie eine weitere überraschende Entdeckung. Denn neben Nanotyrannus lancensis identifizierten sie eine zweite Art des Miniatur-T.-rex, den sie Nanotyrannus lethaeus tauften.
Beide Arten ähneln dem Tyrannosaurus rex zwar, unterscheiden sich aber in einigen Merkmalen von ihm. Die auffälligsten Abweichungen betreffen die Dimensionen. Während T. rex wohl bis zu 13 Meter lang wurde und eine Hüfthöhe von bis zu 4 Metern erreichte, war Nanotyrannus gerade einmal halb so groß und wog mit weniger als einer Tonne nur einen Bruchteil eines ausgewachsenen Tyrannosaurus. Um sich den Unterschied vor Augen zu führen, könnte man sich anstelle eines T. rex etwa einen afrikanischen Elefantenbullen mit Krokodilhinterteil vorstellen und statt Nanotyrannus einen groß gewachsenen Eisbären mit riesigem Echsenschwanz.
Neben ihren Körpermaßen zeigen die Vertreter von Nanotyrannus einige weitere morphologische Besonderheiten. Sie besaßen etwa weniger Schwanzwirbel, mächtigere Arme und hatten mehr Zähne als T. rex. All das spricht laut den Autoren dagegen, dass es sich bei den Nanotyrannus-Funden bloß um junge Tyrannosaurier handelte, wie in der Vergangenheit oft vermutet wurde. Dass die Skelette alle zur selben Art gehören, sei aufgrund dieser Abweichungen sogar biologisch unmöglich, betont Koautor James Napoli.
Gekauftes Fundstück stützt Nanotyrannus-These
Das North Carolina Museum of Natural Sciences erwarb das neue Dinosaurierskelett aus der Hell-Creek-Formation in Montana, genannt NCSM 40000, von privaten Findern. Danach stellte es das Fossil den lokalen Paläontologen für ihre Untersuchungen zur Verfügung. Sie identifizierten es anhand seiner Merkmale als ausgewachsenen, bei seinem Tod etwa 20 Jahre alten Nanotyrannus lancensis.
Bei ihrem Vergleich von weiteren Überresten von Tyrannosauroiden erkannten sie die Charakteristika auch in einem bereits zuvor bekannten Exemplar wieder, das eine Hälfte der berühmten »Dueling Dinosaurs« darstellt. Seine Zuordnung war schon in der Vergangenheit heftig umstritten – einige Fachleute hatten ihn als Nanotyrannus klassifiziert, andere hielten daran fest, dass es sich um einen jungen T. rex handeln müsse. Ein weiteres Skelett, das bislang als heranwachsender Tyrannosaurus galt, identifizierten sie als neue Art Nanotyrannus lethaeus. Das Fossil ähnelte ihrem Fundstück zwar in vielen Punkten, zeigte jedoch einige Abweichungen, die auf eine zusätzliche, nahe verwandte Spezies hindeuteten.
Lange Zeit galt Tyrannosaurus rex als einziger Tyrannosauroide in der späten Kreidezeit. Das Vorkommen weiterer, ähnlicher Raubsaurierarten in seinem Verbreitungsgebiet ist aber nicht undenkbar. Als flinkerer und agilerer Jäger könnte Nanotyrannus eine andere ökologische Nische als sein größerer Verwandter ausgefüllt haben – und so neben ihm bis zum Ende der Ära der Dinosaurier geherrscht haben.
Die Existenz von Nanotyrannus wird in der Fachwelt seit seiner Erstbeschreibung im Jahr 1988 heftig debattiert. Ob die aktuelle Arbeit die Diskussion ein für allemal beenden kann, ist aber fraglich. In jüngerer Vergangenheit gab es sowohl Studien, die sich für die Klassifikation von Fossilien als Vertreter dieser Art aussprachen, als auch solche, die dagegen argumentierten.
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