Erdmittelalter: Dinosaurier waren nicht zwangsläufig zum Aussterben verurteilt

In der Endphase der Kreidezeit, bevor der Chicxulub-Meteorit einschlug, blieben die Verbreitungsgebiete der Dinosaurier offenbar stabil. Das spricht gegen die populäre Annahme, die »schrecklichen Echsen« seien schon lange vor dem Einschlag im Niedergang begriffen gewesen. Ihr vermeintlicher Artenschwund damals beruhe lediglich auf dem Umstand, dass man heute nicht mehr so viele Fossilien von ihnen finde. Zu diesem Schluss kommt eine Forschungsgruppe um Christopher Dean vom University College London.
Dean und seine Arbeitsgruppe haben sich mit Fossilien befasst, die in Nordamerika zu Tage gekommen sind und ein Alter zwischen 84 und 66 Millionen Jahren haben. Die Versteinerungen stammen somit aus den letzten 18 Jahrmillionen der Kreidezeit. Am Ende dieses Zeitraums schlug ein gewaltiger Meteorit im Gebiet des heutigen Nordamerikas ein, was die meisten Dinosaurier auslöschte. Der Himmelsbrocken war vermutlich 10 bis 15 Kilometer groß.
Die Daten von mehr als 8000 entsprechenden Fossilien scheinen zu belegen, dass die Zahl der Dinosaurierspezies vor etwa 75 Millionen Jahren ihren Höhepunkt erreichte und danach wieder sank, bis der Meteoritenaufprall einen finalen Schlussstrich zog. Laut Dean und seinen Kollegen ist das jedoch eine Fehleinschätzung, die darauf zurückgeht, dass Dino-Überreste aus der kreidezeitlichen Schlussphase nur relativ selten entdeckt werden. Der Hauptgrund dafür laute, dass es nur wenige Standorte mit frei liegendem und zugänglichem Gestein aus dieser Zeit gebe.
Mangel an Fossilien ist nicht gleich Mangel an Dinos
»Seit mehr als 30 Jahren wird darüber diskutiert, ob die Dinosaurier schon vor dem Einschlag dem Untergang geweiht waren«, erläutert Dean in einer Pressemitteilung. »Wir haben festgestellt, dass der Fossilbefund von vier Dinosauriergruppen für die letzten sechs Millionen Jahre vor dem Meteoritenfall tatsächlich schlechter wird.« Das liege aber nicht an einem realen Artenschwund damals, sondern daran, dass es weniger wahrscheinlich sei, Versteinerungen aus dieser Zeit zu finden.
Ihre Untersuchung bezog die Forschungsgruppe auf vier Untergruppen der Dinos: Ankylosauridae (breite, massige und gepanzerte Pflanzenfresser), Ceratopsidae (große, gehörnte Pflanzenfresser mit Nackenschilden), Hadrosauridae (Pflanzenfresser mit entenschnabelähnlichen Schnauzen) und Tyrannosauridae (Fleischfresser wie der berühmte T. rex). Mit Hilfe computergestützter ökologischer Modelle schätzte das Team ab, wie stark diese Tiergruppen zu bestimmten Zeiten in bestimmten Gebieten vertreten waren. Es teilte Nordamerika in ein Raster ein und berechnete auf der Grundlage geologischer, geografischer und klimatischer Daten, welche Zellen des Rasters jeweils von Vertretern der vier Dinosauriergruppen vermutlich besiedelt gewesen waren – und zwar zu vier verschiedenen Zeitpunkten während der finalen 18 Millionen Jahre der Kreidezeit.
Das Ergebnis: Der Anteil des Landes, in dem die jeweiligen Dinosaurier gelebt hatten, blieb im untersuchten Zeitraum insgesamt konstant. Das deutet auf eine stabile Größe der Verbreitungsgebiete in der Spätkreide hin und spricht dagegen, dass die Artenzahlen damals rückläufig waren.
Zugleich gab das Modell für jede Rasterzelle an, wie wahrscheinlich es ist, heute dort spätkreidezeitliche Fossilien der vier Dinosauriergruppen zu finden. Dabei berücksichtigte der Computer, welche Gebiete für Forscherinnen und Forscher überhaupt zugänglich sind, ob dort Vegetation wuchert, wie viel kreidezeitliches Gestein jeweils frei liegt und wie oft Fachleute dort schon nach Fossilien gefahndet haben. Insgesamt, so das Ergebnis, ist die Chance vergleichsweise klein, Dino-Versteinerungen aus der Schlussphase der Kreidezeit zu finden.
Der scheinbare Rückgang der Dinosaurier in den letzten kreidezeitlichen Jahrmillionen beruht demnach eher auf späteren geologischen Prozessen rund um die fossilführenden Schichten sowie der heutigen Landnutzung, nicht auf echten Schwankungen in der Artenvielfalt. Die Schreckensechsen waren demnach nicht zwangsläufig zum Aussterben verurteilt – und wäre der Meteorit nicht gewesen, hätten sie möglicherweise weiterhin die Erde bevölkert.
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