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Paläontologie: Was die Dinosauriermumien wirklich sind

Die Kunde mumifizierter Entenschnabeldinosaurier kam sensationell, sie entpuppten sich aber als etwas anderes. Und dennoch handelt es sich um bedeutende Fossilien.
Ein Paläontologe untersucht mit einer Vergrößerungsbrille ein großes Dinosaurierskelett. Der Fokus liegt auf dem Schädel des Skeletts, der detailliert und gut erhalten ist. Der Hintergrund ist dunkel, was die Aufmerksamkeit auf die Arbeit des Wissenschaftlers und die Struktur des Fossils lenkt.
Der Präparator Tyler Keillor von der University of Chicago arbeitet an dem Fossil eines jungen Entenschnabeldinosauriers.

Im Jahr 1908 entdeckte der Fossiliensammler Charles Sternberg in den Sandsteinfelsen der Lance-Formation im östlichen Wyoming das Skelett eines Entenschnabelsauriers der Gattung Edmontosaurus. Die Überreste deuteten an, dass auch Gewebe und Haut den Versteinerungsprozess überdauert haben könnte, was sie zur ersten jemals gefundenen »Dinosauriermumie« gemacht hat. Zwei Jahre später fand Sternberg nur wenige Kilometer entfernt eine weitere Mumie. Ein Team um Paul Sereno von der University of Chicago zeigt jedoch mit seiner Studie, dass es sich bei der Haut weiterer, vermeintlicher Dinomumien aus der Region und vielleicht auch bei Sternbergs erstem Fund wohl gar nicht um versteinertes Gewebe handelt, sondern vielmehr um Tonkügelchen, die von Mikroben beim Zerfall der Kreaturen zusammengeklebt wurden.

Es war bekannt, dass dieser Tonformungsprozess die Umrisse weicher Tiere in sauerstoffarmen Gebieten bewahrt – etwa im Schlamm am Boden von Lagunen und Tiefseegräben. Aber »niemand konnte sich vorstellen, dass es auch bei einem Dinosaurier funktionieren könnte, der bei einer Überflutung durch einen Fluss plötzlich von Sand begraben wurde«, sagt Sereno: also in einer Umgebung, die relativ sauerstoffreich ist.

Wenn ein Tier auf diese Weise »mumifiziert« wird, verwandelt sich sein gesamtes äußeres Weichteilgewebe in eine weniger als ein Millimeter dicke Tonschicht. Sereno vermutet, dass die Kadaver der Tiere während einer Dürreperiode zunächst ausgetrocknet sind, bevor sie plötzlich von Sedimenten bedeckt wurden – wahrscheinlich durch ein Starkregenereignis mit Flut. Eine Bakterienschicht setzte sich auf der feuchten, porösen Oberfläche fest und bildete einen Biofilm, der sich mit dem umgebenden Lehm verband. Im Laufe der Zeit zersetzten sich die weichen Teile der Kadaver oder wurden vom Grundwasser weggespült, während die Tonmaske die ursprünglichen Formen dauerhaft konservierte, so Sereno.

Sereno sowie anderen Forschern war es gelungen, einige weitere dieser Edmontosaurus- und noch andere Dinomumien in der Nähe von Sternbergs ursprünglichem Fundort in Wyoming zu entdecken. Dazu gehören ein Triceratops horridus und ein Tyrannosaurus rex sowie zwei Edmontosaurus annectens, die in der neuen Studie zum ersten Mal beschrieben wurden. Alle befinden sich in einem Umkreis von zehn Kilometern in einem Gebiet, das Sereno die »Mumienzone« nennt.

Einer dieser E. annectens war zwei Jahre alt, als er starb, und der andere fünf bis acht Jahre alt: ein »spätes Jungtier« und ein »früher Erwachsener«, die die Forscher »Ed, Jr.« und »Ed, Sr.« nannten. Junior ist die erste jugendliche Dinosauriermumie, die je gefunden wurde, und der erste große Dinosaurier mit einem vollständig erhaltenen »fleischigen« Umriss seines Rumpfes. Senior wiederum ist der Erste seiner Artgenossen, der mit einem vollständigen Satz von Stacheln entlang seines Schwanzes ausgegraben wurde. Und er weist die frühesten bekannten Hufe eines vierfüßigen Tieres auf.

Die Forscher wendeten eine Reihe von Methoden an, darunter Röntgenaufnahmen, CT-Scans sowie mikroskopische und chemische Analysen, um sicherzustellen, dass es sich bei den fleischigen Teilen tatsächlich nur um Tonformen handelt. Dieser Prozess ist mühsam und bei vielen früheren Exemplaren wurde dieser Ton bei der Vorbereitung versehentlich beschädigt oder entfernt.

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  • Quellen
Sereno, P. et al., Science 10.1126/science.adw3536, 2025

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