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Pränataldiagnostik: Diskussion um Trisomie-Bluttest als Kassenleistung

Mit etwas Blut lässt sich feststellen, ob das Baby im Bauch Downsyndrom hat. Krankenkassen sollen den Test bezahlen. Nun warnen Ärzte und Verbände in einem offenen Brief davor.
Röhrchen mit Blut

Mit einem Bluttest können werdende Mütter schon vor der Geburt recht sicher prüfen, ob ihr Nachwuchs das Downsyndrom oder eine andere Trisomie hat. Der Test soll künftig zum Teil von den Krankenkassen bezahlt werden. Doch Behindertenverbände, Kirchen und Ärzte warnen vor der Regelung, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bereits im Jahr 2019 entschieden hatte.

In einem offenen Brief fordert ein breites Bündnis von Kritikern die Mitglieder des Bundestags dazu auf, sich erneut mit dem Thema zu befassen. Es sei zu befürchten, dass die Untersuchung unter den angepeilten Rahmenbedingungen »so häufig angewandt wird, dass dies faktisch einer Reihenuntersuchung gleichkommt«, heißt es in dem Schreiben vom 4. März 2021.

Weil für den Test eine Blutprobe der Mutter reicht, wird vom nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) gesprochen. Dieser steht Frauen bereits seit dem Jahr 2012 zur Verfügung. Allerdings müssen Interessierte ihn bislang meist selbst bezahlen. Bei dem Test wird eine Blutprobe der werdenden Mutter auf bestimmte Erbgutfehler des Fötus untersucht: etwa auf eine Trisomie 21, bei der das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist und die mit unterschiedlich ausgeprägten körperlichen und geistigen Auffälligkeiten einhergeht. Zudem lässt sich auf Trisomie 13 und Trisomie 18 testen. Einige Anbieter können darüber hinaus auf diverse andere, sehr seltene Chromosomenstörungen prüfen wie Trisomie 9, das Jacobsen-Syndrom oder das Turner-Syndrom.

Ist das Testergebnis negativ, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass das Ungeborene Trisomie 21 hat. Ist das Resultat hingegen auffällig, muss ein weiterer Eingriff folgen, um eine sichere Diagnose zu stellen – etwa eine Fruchtwasseruntersuchung, die mit einem geringen Risiko für eine Fehlgeburt verbunden ist.

Sicherer und schonender als andere Methoden

Der G-BA, ein Gremium, das Ärzte, Krankenkassen und Kliniken zusammenbringt, hat schon im September 2019 grundsätzlich entschieden, dass der NIPT Kassenleistung werden soll. Gründe dafür: Der Test liefert seltener falsch-positive Ergebnisse als das freiwillige Ersttrimesterscreening und vermeidet so unnötige Sorgen. Auch ist er schonender als bisherige invasive Verfahren, wie die seit 30 Jahren übliche Fruchtwasseruntersuchung, die bereits Kassenleistung ist.

Es stehen jedoch Abstimmungsschritte aus: So muss noch die Broschüre abgesegnet werden, die Kassenpatientinnen später über den Test informieren soll. Sie soll im Sommer beschlossen sein. Anschließend muss das Gesundheitsministerium auf formale Fehler prüfen. Erst mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird der NIPT dann tatsächlich Kassenleistung.

»Es ist fatal, was da in Gang gesetzt wurde«, sagt Claudia Heinkel, die in Stuttgart eine Beratungsstelle der Diakonie zu Pränataldiagnostik leitet. Die Kassenzulassung sende die Botschaft aus: »Es gibt hier einen einfachen Test, den wir auch bezahlen – auch weil wir es für gesellschaftlich erwünscht halten, Trisomie 21 zu suchen.« So entstehe ein subtiler Erwartungsdruck: Werdende Eltern, die sich gegen den Test entschieden, müssten sich rechtfertigen.

Zwar betone der G-BA stets, die Bluttests sollten nur in Einzelfällen von den Kassen bezahlt werden, doch in dem Beschluss seien die Bedingungen dafür völlig offen formuliert. »Im Grunde hat der G-BA eine indikationslose Kassenleistung beschlossen«, sagt Heinkel. »Im Mittelpunkt steht allein die subjektive Besorgnis der Schwangeren vor einem Leben mit einem behinderten Kind.« In der Folge könnte der Test nahezu flächendeckend bei Schwangeren zum Einsatz kommen.

Keine Reihenuntersuchungen auf Trisomie 21

In der vorläufigen Fassung der geplanten Infobroschüre heißt es, dass der NIPT nicht zu den allgemein empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft gehört. Nilgün Dutar, Präsidentin des Berufsverbands niedergelassener Pränatalmediziner, sieht ebenfalls ein großes Problem in der unklaren Festlegung, für wen die Tests bezahlt werden sollen. »Wir wollen keine Reihenuntersuchung auf die Trisomie 21«, sagt sie. »Ich glaube, das will niemand – aber das ist die große Sorge.«

Per se schlecht sei der Bluttest nicht. Für eine 42-jährige Patientin mit einem im Ultraschall unauffälligen Kind könne der Bluttest durchaus Sinn ergeben. Denn mit steigendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Chromosomenstörung. »Aber für eine 20-Jährige mit ebenfalls unauffälligem Ultraschall ist so ein Test nicht sinnvoll«, sagt Dutar. Alles hänge an einer guten und ergebnisoffenen Aufklärung der Schwangeren, einem differenzierten Ultraschall und der richtigen Indikationsstellung – und da sehe sie erhebliche Mängel in dem G-BA-Beschluss. (dam)

Durchschnittliches Trisomie-21-Risiko in der 12. Schwangerschaftswoche, abhängig vom Alter der Mutter:

  • 20 Jahre: 1:1068
  • 25 Jahre: 1:946
  • 30 Jahre: 1:626
  • 35 Jahre: 1:249
  • 40 Jahre: 1:68

Quelle: Nicolaides, K. H. et al.: Die Ultraschalluntersuchung von 11–13+6 Schwangerschaftswochen. Fetal Medicine Foundation, 2004

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