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News: DNA-Müll macht krank

Ein Streik der Müllabfuhr kann das Leben in einer Stadt arg unschön gestalten. Aber wenn der Abfallbeseitigungs-Mechanismus des Körpers ins Stocken gerät, kann das noch sehr viel schlimmere Auswirkungen haben. So entwickeln transgene Mäuse, die auf Grund eines zerstörten Gens ihren DNA-Müll nicht ordentlich beseitigen können, deutlich häufiger eine Lupus-ähnliche Erkrankung als normale Tiere. Diese neue Erkenntnis könnte zur Entwicklung von Behandlungsmethoden der schweren Autoimmunerkrankung beitragen.
Mehrere Millionen Menschen weltweit – davon allein in Deutschland 80 000 – leiden an systemischem Lupus erythematodes (SLE), einer Krankheit in der das Immunsystem Antikörper gegen normalen zelluläre Abfall wie DNA- oder Protein-DNA-Komplex-Schnipsel bildet. Wenn diese antinucleären Autoantikörper (ANAs) sich zu unlöslichen Immunkomplexen zusammenlagern und in die Niere oder andere Organe transportiert werden, können sie dort Entzündungen auslösen und das Gewebe erheblich schädigen. In schweren Fällen können SLE-Patienten an Nierenversagen oder Herzinfarkt sterben.

Schon seit den 60er Jahren vermuten Wissenschaftler, dass eine gestörte DNA-Abfallbeseitigung und eine erhöhte Verweildauer der Zellkernbestandteile im Körper eine Rolle in der Entwicklung von SLE spielen könnte. Und tatsächlich weisen viele Patienten niedrige Gehalte des Enzyms Desoxyribonuclease 1 (Dnase 1) auf, das die DNA in ihre Bestandteile zerlegt. Zellbiologen der Universität Essen und Mediziner der Universität Bochum konnten nun weitere Hinweise für die Bedeutung des Enzyms finden.

Um die Rolle des Proteins im komplexen Zusammenhang eines Gesamtorganismus zu untersuchen, zerstörten sie das für Dnase 1 codierende Gen in Mäusen durch gene targeting. Obwohl die Tiere bei ihrer Geburt gesund erschienen, "wurden sie im Laufe ihres Lebens richtig krank", erinnert sich der Leiter des Teams, Tarik Möröy. Die Wissenschaftler fanden schwere Entzündungen und Gewebeschädigungen in den Nieren der Knock-out-Mäuse.

Weitere Tests zeigten, dass die genmanipulierten Mäuse ein dreifach höheres Risiko hatten, Antikörper gegen körpereigene Zellkernbestandteile zu entwickeln, als ihre "normalen" Artgenossen. Heterozygote Mäuse, die über eine intakte Kopie des Gens verfügten, zeigten dabei schwächere Symptome als homozygote. Insgesamt bedeutet dies vermutlich, dass "je niedriger der Dnase 1-Gehalt, desto höher ist das Risiko an SLE zu erkranken", sagt Möröy.

Die Studie sei ein "deutlicher Fortschritt", meint der Rheumatologe Mark Walport vom Imperial College London. "Sie zeigt zum ersten Mal, dass ein Defekt im Dnase 1-Gen ausreicht, um eine Immunerkrankung zu entwickeln." Da derzeitige Behandlungsmöglichkeiten mit starken Nebenwirkungen verbunden sind, lohnt es sich seiner Meinung nach zu prüfen, ob zusätzlich verabreichte Dnase SLE-Patienten helfen könnte.

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