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Paläoklima: Doch Matsch- statt Schneeball Erde?

Vor 850 bis 540 Millionen Jahren erlebte die Erde mehrere Eiszeitzyklen, in denen womöglich sogar die tropischen Ozeane vollständig von einer Eisdecke überzogen waren. Gegen diese "Schneeball-Erde"-These sprechen Ergebnisse einer neuen Simulation, die mindestens einige Meeresregionen für eisfrei erklärt.

Grundlage für die Annahme der globalen Vereisung ist, dass in Sedimenten jener Zeit die Werte des Kohlenstoff-Isotops C-12, das durch Fotosynthese in Biomasse gebunden wird, stark schwanken. Da dies unmittelbar benachbart zu glazialen Ablagerungen auftritt, hatten Forscher geschlossen, dass die Fotosynthese zeitweise komplett zum Erliegen gekommen war – und unter anderem daraus abgeleitet, dass der gesamte Planet offenbar mehrfach in einem "Schneeball" erstarrt war. Erst nachdem sich über Jahrmillionen ausreichend Treibhausgase aus vulkanischer Aktivität angereichert hatten, konnte die Erde aus diesen Eisphasen wieder "auftauen".

Richard Peltier und seine Kollegen von der Universität Toronto kombinierten nun jedoch ein Modell des damaligen Kohlenstoff-Kreislaufs mit einer Simulation der Umweltbedingungen und widersprechen dieser These [1]. Ihre entscheidende Annahme war: In den kühleren Ozeanen sollte sich mehr Sauerstoff gelöst haben und auch leichter in die Tiefe vorgedrungen sein, wo er den dort vorhandenen gelösten organischen Kohlenstoff oxidiert hätte. Das dabei entstandene Kohlendioxid wäre in die Atmosphäre entwichen und hätte über den bekannten Treibhauseffekt eine komplette Vereisung des Planeten verhindert. In der Simulation waren demnach auch keine vulkanischen Gase vonnöten, um die wärmeren Phasen einzuleiten.

Mit der Erwärmung jedoch sank wiederum die Löslichkeit des Sauerstoffs in den Meeren, der Eintrag ging zurück und damit auch die Kohlendioxid-Produktion, woraufhin eine erneute Abkühlung einsetzte. Mit diesem Rückkopplungsprozess konnten die Wissenschaftler die vier bislang angenommenen Vereisungsphasen von jeweils vier bis dreißig Millionen Jahren Dauer nachbilden.

Das Modell birgt jedoch Kritikpunkte, erklärt Alan Kaufman von der Universität von Maryland [2]. So wurden als Sauerstoff-Gehalte der Atmosphäre heutige Werte eingesetzt, obwohl allgemein angenommen wird, dass damals niedrigere Konzentrationen vorherrschten. Weiterhin berücksichtigten Peltier und seine Kollegen nicht, dass beispielsweise Verwitterungsprozesse ebenfalls große Mengen Luftsauerstoff binden und so den Eintrag in die Ozeane mindern. Darüber hinaus weisen manche Sedimente jener Zeit hohe Eisen-Gehalte auf, die auf weit gehend sauerstofffreie Bedingungen deuten – der geringste Eintrag von Sauerstoff wäre zu deren Oxidation verwendet worden und nicht für gelösten organischen Kohlenstoff.

Ganz von der Hand weisen will er die Überlegungen von Peltier und seinen Kollegen jedoch nicht. Es könne schließlich massive regionale Unterschiede im Ozeanchemismus gegeben haben, zumal der Kohlenstoff-Kreislauf damals offenbar anderen Gesetzmäßigkeiten gehorchte. Unter anderem war der Gehalt an gelöstem organischen Kohlenstoff in den Meeren weit höher als heute. Dies könnte vielleicht auch erklären, warum damals das Klima den Kohlenstoff-Kreislauf bestimmte und nicht umgekehrt, wie es für die letzten Eiszeiten angenommen wird. (af)

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