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Doldrums: Berüchtigtes Wetterphänomen entsteht anders als gedacht

Eine mehr als 100 Jahre alte Theorie über die einst gefürchteten Doldrums erweist sich als falsch. Vielmehr scheint in diesen Zonen verheerender Windstille das genaue Gegenteil zu passieren.
Meer unter wolkenlosem Himmel. Aber nicht bei Flaute sondern bei etwa Windstärke drei.
Sieht idyllisch aus, doch zur Zeit der Segelschiffe waren tagelang wolkenloser Himmel und Windstille ein echtes Problem für die Seefahrt.

Heute sind die Doldrums kaum mehr als eine Fußnote der Seefahrtsgeschichte, doch einst waren diese tropischen Regionen gefürchtete Meeresgebiete. Oft herrscht dort über lange Zeiträume fast totale Windstille. Segelschiffe dümpelten tagelang hilflos unter der heißen Tropensonne. Mehr als ein Jahrhundert später liefert diese auf Deutsch Kalmengürtel genannte Zone nun noch einmal eine handfeste Überraschung. Die seit über einem Jahrhundert allgemein akzeptierte Erklärung, wie das Phänomen zu Stande kommt, ist anscheinend falsch. Das berichtet nun Julia Windmiller vom Max-Planck-Institut für Meteorologie auf Basis von aktuellen Wetterdaten aus der Region. Laut ihrer neuen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift »Geophysical Research Letters« geschieht dort das genaue Gegenteil von dem, was man lange Zeit dachte. Absinkende und nach außen driftende Luftmassen verursachen die windstillen Zonen, und nicht aufsteigende Luft.

Die bisher vorherrschende Idee, dass Luftmassen dort zusammenströmen und in den windstillen Gebieten nach oben steigen, liegt meteorologisch nahe. Der Kalmengürtel liegt im Zentrum der Intertropischen Konvergenzzone, jenes Streifens der Tropen, in dem die Sonneneinstrahlung am stärksten ist und Luft am Boden erwärmt. Die warme Luft steigt nach oben und lässt von Norden und Süden Luft nachströmen. Dort, wo sich die Strömungen treffen und in die Aufwärtsbewegung übergehen, sinkt die horizontale Windgeschwindigkeit logischerweise deutlich ab. Doch Windmiller weist auf einen Schönheitsfehler dieser Vermutung hin: Die so entstehenden windstillen Gebiete sind nicht groß und dauerhaft genug, um das berüchtigte Phänomen wirklich zu erklären. Außerdem ist, entgegen dem schlichten Bild, das Zusammenströmen von Luft nicht das Einzige, was in der Intertropischen Konvergenzzone geschieht. In Wirklichkeit ist die Region viel dynamischer.

Windmiller nutzte Daten von Messbojen im Atlantik, die Daten über Wind, Temperatur und Sonneneinstrahlung aufzeichnen, sowie Satellitendaten und Computermodelle, um die Prozesse in den windstillen Bereichen zu erklären. In der Tat kann man die riesigen Flächen, die einst Schiffe gefangen hielten, auf Satellitenbildern sehen. Sie sind dunkel, weil die Wasseroberfläche dort nicht durch Wind aufgeraut wird. Noch dazu sind sie außergewöhnlich wolkenarm. Das wiederum wäre extrem ungewöhnlich für aufsteigende Luft. Die führt nämlich dazu, dass Wasser in der Höhe kondensiert und die für die Tropen typischen heftigen Niederschäge erzeugt – doch der Himmel über den Doldrums ist überwiegend klar. Tatsächlich ist laut Windmillers Hypothese der Niederschlag entscheidend für die Entstehung der windarmen Regionen. Die Daten legen nahe, dass sich die Doldrums bilden, wenn ein Niederschlagsgebiet durchgezogen ist und kühlere Luft wieder absinkt. Dabei unterdrückt sie Wolkenbildung und Niederschlag, und vor allem breitet sich die Luftmasse am Boden aus.

Da kein horizontaler Druckunterschied diese Ausbreitung antreibt, sondern sie einfach von einem unter seiner eigenen Schwerkraft auseinanderlaufenden Luftfladen verursacht wird, entsteht dabei kaum Wind. Gleichzeitig wabert die absinkende Luft über enorme Flächen – weit größer als das schmale Band aufsteigender Luft, das sich durch Konvergenz bildet. Zudem ist die Luftmasse eine ganze Weile stabil. Erst wenn die Luft am Boden von der Sonne wieder so stark erwärmt worden ist, dass sie aufsteigen kann, beginnt sie erneut schneller zu strömen. Warme Luft steigt auf, erzeugt ein Niederschlagsgebiet und der Zyklus beginnt erneut.

Heutzutage sind diese windarmen Gebiete für die Seefahrt nicht mehr relevant. Dafür sind sie jedoch wichtig für die Wetter- und Klimaforschung, denn solche Regionen mit niedrigen Windgeschwindigkeiten sind für Modelle nach wie vor nicht leicht zu beschreiben. Die zusammensackenden Kaltluftfladen passen nicht so einfach in die normale Dynamik der Atmosphäre. Und da sie in den Tropen so groß werden können, haben sie erheblichen Einfluss auf regionale Wettermuster. Allerdings ist bisher nicht vollständig klar, wieso die Luftmassen absinken. Dass kühle Luft nach Niederschlägen getrieben von der Schwerkraft zu Boden strebt, ist nur eine Möglichkeit. Eine andere ist, dass kühle Luft durch atmosphärische Schwerewellen in der Höhe zu Boden gedrückt wird. In dem Fall wären die windarmen Regionen nicht die Folge lokaler Effekte, sondern Teil großräumiger atmosphärischer Muster. Mit den vorhandenen Daten, die die vertikalen Bewegungen von Luftmassen nicht direkt zeigen, lassen sich diese Möglichkeiten nicht unterscheiden.

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  • Quellen
Windmiller, J. M.: The calm and variable inner life of the Atlantic Intertropical Convergence Zone: The relationship between the doldrums and surface convergence. Geophysical Research Letters 51, 2024

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